Brutale Paragrafenreiterei, Amtsbescheide, Aussagen von Passanten konterkarieren die Erfahrungen von Flüchtlingen: Gunda König, Jutta Fastian und Markus Schöttl in Ute Liepolds "Weihnachtsoratorium - Asyl bei Freunden".

Foto: Philip Kandler

Klagenfurt - Dass Österreich in den vergangenen drei Jahrzehnten alle Chancen vertan hat, im Buch der Geschichte noch einmal mit einer lobenden Erwähnung für humane Asylpolitik aufzuscheinen, dürfte allen klar sein. Weniger klar ist sicher vielen, welche Hässlichkeit das Bild dieses Landes bereits zeigt, wenn man, wie jetzt die Kärntner Regisseurin Ute Liepold im Klagenfurter Dom, einfach nur ein paar reale behördliche Bescheide, ein paar Politikerstatements und ein paar Zitate von der Straße dem Schicksal von Asylsuchenden gegenüberstellt.

Weihnachtsoratorium - Asyl bei Freunden heißt die musikalisch sehr ernst untermalte Produktion des Theaters Wolkenflug, in der von Gunda König, Jutta Fastian und Markus Schöttl noch die brutalsten Paragrafenreitereien - elendslange Sätze, die immer auf "abgelehnt" enden - mit einer Freundlichkeit dargestellt werden, die nur einen Sinn haben kann: Sich auf dem Rücken von Hilflosen vorzumachen, dass man immer noch menschlicher sei, als man ist.

Sehr tief sind die Schamgrenzen dieser Menschlichkeit gesunken. "120 sind einfach zu viel", kann heute ein Bürgermeister erklären, als wäre die moralische Verpflichtung, Rettungsbedürftige zu retten, quantifizierbar. Dann sind wir dort, wo man Menschen beim Ertrinken zuschaut, weil es zu viele sind. Das hat keine Deckung mehr durch die Quellentexte des Christentums, weshalb der Klagenfurter Dom als Schauplatz der zutiefst appellativen Produktion treffend gewählt ist.

Kinder in der Fremde

Das Schlimmste kommt aber noch: Es geht um Kinder. Viele davon, noch keine zehn Jahre alt, wurden von ihren afghanischen Eltern in die Fremde geschickt, damit sie nicht den Taliban in die Hände fallen. Auf der Bretterbühne in der Apsis des Doms singen zwischendurch fünf dieser Kinder ein Lied aus dem Land, in dem sie ihres Lebens nicht mehr sicher waren.

Ein Gerüst dahinter dient als Zelle, trägt aber auch eine Videoleinwand, auf der immer wieder eine Asylsuchende am Bahnhof erscheint. Der Bahnhof steht für die Fremde schlechthin, von der es in der ergreifenden Schlussszene mit Julia Kristeva heißt, dass sie erst überwunden sein wird, wenn wir erkannt haben, dass sie im Inneren von uns allen liegt. (Michael Cerha, DER STANDARD, 5.12.2014)