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Die 110 Mann zählende Schweizergarde ist seit dem Jahr 1506 für den persönlichen Schutz des Papstes sowie für die Sicherung der Eingänge des Vatikans zuständig.

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Anrigs Wahl war immer umstritten gewesen.

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Papst Franziskus habe Daniel Anrigs "Amtsverzicht" angenommen, schrieb die Vatikanzeitung "L'Osservatore Romano" in ihrer Donnerstag-Ausgabe in einer nur zwei Zeilen umfassenden Meldung. Glaubt man italienischen Medienberichten, ist der Verzicht nicht ganz freiwillig zustande gekommen: Vielmehr soll der Papst seinen obersten Leibwächter entlassen haben.

Der 42-Jährige aus Sargans im Kanton St. Gallen leitete die Schweizergarde seit 1. Dezember 2008 als 34. Kommandant in der mehr als 500-jährigen Geschichte der Truppe. Er war wie üblich zunächst für fünf Jahre bestellt worden. 2013 ist seine Amtszeit vom Papst verlängert worden. Nun wird Anrig das Kommando am 31. Jänner 2015 abgeben.

Papst offenbar mit Führungsstil unzufrieden

Verschiedene italienische Medien berichteten am Donnerstag, dass der Papst mit der Art und Weise, wie Anrig sein Amt versah, nicht mehr zufrieden gewesen sei. Insbesondere habe er den Führungsstil des Kommandanten als zu streng und zu militärisch erachtet. Gardisten hatten sich offenbar beklagt, dass kleinste Vergehen schikanöse Strafen nach sich zögen.

Außerdem sei dem Papst, der selbst eine einfache kleine Wohnung im vatikanischen Pilgerheim Santa Marta bewohnt, Anrigs luxuriöse Wohnung über der Garde-Kaserne ein Dorn im Auge gewesen. Diese sei dreimal größer als die bisherige Bleibe der Kommandanten. Der Sprecher der Schweizergarde erklärte, dass keine näheren Angaben zu den Umständen und Gründen des "Amtsverzichts" des Kommandanten gemacht würden.

Papst pflegt kollegialen Umgang mit Garde

Der joviale und umgängliche Franziskus habe mit seiner Leibwache einen kollegialen Umgang entwickelt, berichtete der Römer Messaggero gestern. Tatsächlich begrüßt der Papst die Gardisten oft mit Namen, erkundigt sich nach ihrem Befinden, schüttelt ihnen auch ab und zu öffentlich die Hand.

Geradezu schockiert sei der Papst bei einem Besuch in der Kasernenküche vor einem Monat gewesen, schreibt die Zeitung "Libero". Dort habe er müde Gardisten in Uniform vorgefunden, die ihm auf die Frage, ob sie sich nicht setzen und etwas Wasser trinken wollten, zur Antwort gegeben hätten, dass ihnen das nicht erlaubt sei.

Vorfall in Asylheim

Die Wahl Anrigs war von Beginn an umstritten. Vor seiner Berufung nach Rom war der mit einer Theologin verheiratete Jurist und vierfache Familienvater zunächst Chef der Glarner Kriminalpolizei und schließlich der Kantonspolizei gewesen. Als Kripochef hatte er für Schlagzeilen gesorgt: Unter seiner Leitung waren im Jahr 2003 bei einer Hausdurchsuchung in einem sogenannten Durchgangsheim mehrere Asylwerber gefesselt, entkleidet und fotografiert worden.

Die Sache hatte ein gerichtliches Nachspiel, bei dem die Tatbestände des Amtsmissbrauchs und der Freiheitsberaubung bestätigt wurden, da Einsatzleiter Anrig kein subjektiver Vorsatz bewiesen werden konnte, wurde das Verfahren aber eingestellt. Ob Papst Benedikt XVI., der Anrig 2008 zum Kommandanten ernannt hatte, von dem Vorfall wusste, ist nicht bekannt.

Anrigs Nachfolger steht noch nicht fest. Nach Medienberichten hat sein bisheriger Vize Christoph Graf gute Chancen.

Millionen Euro entdeckt

Der Vatikan wird zudem wegen seiner intransparenten Finanzstrukturen und der Skandale bei der Vatikanbank seit längerem kritisiert. Seit seinem Amtsantritt hat Papst Franziskus mit mehreren Kommissionen Reformen in Angriff genommen. Nun wurden hunderte Millionen Euro entdeckt, die bisher nicht in den Bilanzen aufgetaucht sind. "Der Vatikan ist nicht pleite", sagte George Pell, der Vorsitzende der Finanzbehörde. (Dominik Straub aus Rom, DER STANDARD, 5.12.2014)