Bagdad/Erbil/Wien - Der irakische Premierminister Haidar al-Abadi - von dem man bei Amtsantritt sagte, das Beste an ihm sei, dass er nicht Nuri al-Maliki heiße - tut erstaunliche Dinge: Er kürzt die Gehälter seiner Regierung, er deckt den Skandal von 50.000 Phantomsoldaten auf, an die der Staat jährlich eine Milliarde Dollar Gehalt zahlt, er feuert zwei Dutzend hohe Innenministeriumsbeamte, weil sie seine Reformen im Sicherheitssektor nicht mittragen wollen. Aber sein größter Erfolg bisher ist zweifellos die Streitbeilegung Bagdads mit der kurdischen Regionalregierung (KRG) in Erbil.
Nicht alle Stolpersteine im innerirakischen kurdisch-arabischen Verhältnis sind damit aus dem Weg geräumt. Aber auf einen Budget-Öl-Deal zwischen Bagdad und Erbil hätte noch vor kurzem kaum jemand gewettet. Der Streit gefährdete die im September gebildete Regierung, die unter der Bedrohung durch die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) nach Malikis Rückzug gebildet worden war.
Die Details der Einigung, der vor drei Wochen ein Überbrückungsabkommen vorausging, wurden vor drei Tagen bekannt: Erbil wird ab 1. Jänner 550.000 Barrel Öl täglich - etwa ein Fünftel der irakischen Exporte - an Bagdad liefern beziehungsweise für Bagdad verkaufen. Dafür bekommen die Kurden 17 Prozent des irakischen Budgets, und darüber hinaus werden die Peschmerga mit einer Milliarde Dollar mitfinanziert.
300.000 Barrel der 550.000 kommen aus den Ölfeldern bei Kirkuk, wo circa zehn Prozent der irakischen Ölreserven liegen: Das Gebiet wird von den Kurden kontrolliert - die im Juni einrückten, als die irakische Armee vor der IS davonlief -, laut irakischer Verfassung ist es jedoch "umstritten". Dieses Problem bleibt bestehen, man wird sehen, ob die derzeitige Lösung als Rahmen für eine längerfristige dienen kann oder ob momentan nur die IS der Kitt ist, der den fragilen Irak wenigstens politisch zusammenhält.
Kurden in Geldnöten
Der Streit zwischen Erbil und Kurdistan um die kurdische Öl-Autonomie - eine Folge der in der US-Botschaft schlampig zusammengestoppelten irakischen Verfassung von 2005 - läuft seit Jahren. Er eskalierte jedoch zu Jahresbeginn. Seitdem blieb Bagdad den Kurden das Geld aus dem Budget komplett schuldig, was dazu führte, dass die kurdische Regionalregierung in große finanzielle Schwierigkeiten geriet und etwa Gehälter nicht mehr bezahlen konnte. Momentan laufen Nachzahlungen in Tranchen von 500 Millionen Dollar.
Für die Kurden war wohl die Erkenntnis ernüchternd, dass sie im Alleingang nicht so viel Geld durch Ölverkauf lukrieren können, wie sie von Bagdad bekommen, wenn alles gut läuft. Fatal ist für sie die nicht geklärte Rechtslage: Das kurdische Öl, das durch die Pipeline in den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan exportiert und dort verladen wurde, konnte deshalb teilweise nicht verkauft werden.
Noch immer liegt vor Erbil und Bagdad die Aufgabe, sich auf ein gemeinsames Ölgesetz zu einigen. Der aktuelle Deal beziehungsweise das Budget 2015 muss auch noch durchs Parlament, das es im Vorjahr nicht geschafft hat, ein Budget zu verabschieden. Der niedrige Ölpreis macht auch dem Irak zu schaffen - laut Internationalem Währungsfonds dürfte die irakische Wirtschaft 2015 erstmals seit 2003 wieder schrumpfen. Nach Abadi und seinen Ministern haben zuletzt auch Staatspräsident Fuad Massum und seine drei Vizepräsidenten auf Teile ihres Gehalts verzichtet.
Abadi, dessen geschickte Personalauswahl zum Erfolg beitrug - der frühere Außenminister Hoshyar Zebari, ein Kurde, ist jetzt der Finanzminister -, betonte in einer Rede, dass "das irakische Öl allen Irakern" gehöre. Von den USA, die ihre Militärhilfe gegen die IS von politischen Fortschritten im Irak abhängig machten, kam großes Lob. Für Abadi bleibt aber noch als Riesenaufgabe die Entschärfung des sunnitisch-schiitischen Konflikts.
Verbrechen gegen Sunniten
Sein Bemühen um eine diplomatische Annäherung an die arabischen sunnitischen Golfstaaten wird konterkariert von Berichten über Verbrechen schiitischer Milizen. Diese kämpfen an der Seite der irakischen Armee gegen die IS - und lassen es die sunnitische Bevölkerung büßen. Umgekehrt werden bei den Schiiten Pläne, sunnitische Stammesmilizen aufzustellen, mit Sorge gesehen. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 5.12.2014)