Hamburg - "Ein Schnibben schlagen" könnte künftig in der Medienbranche zum geflügelten Wort werden: Man kann es aber einfach als nachtreten bezeichnen, wie das Kritiker tun, oder als Richtigstellung titulieren, wie es "Spiegel"-Redakteur Cordt Schnibben macht, um mit dem "Mythos" von reformresistenten Print-Redakteuren aufzuräumen.
Für den "Spiegel" schreibt Schnibben seit 25 Jahren. Am Donnerstag hat er auch ein paar Zeilen geschrieben - auf seiner Facebook-Seite. "In eigener Sache" steht dort, in Wirklichkeit ist der Text aber eine öffentliche Abrechnung mit dem eben geschassten Chefredakteur Wolfgang Büchner und Spiegel Verlags-Geschäftsführer Ove Saffe.
"Er war leider der falsche Mann zum richtigen Zeitpunkt am falschen Ort", schreibt Schnibben über Büchner. Gebraucht hätte der "Spiegel" eine Chefredakteur, der "die Redakteure von Print und Online von einem gemeinsamen Projekt überzeugt".
"Viertelstündchen" fürs Cover
Weiter: "Bekommen haben wir einen Chefredakteur, der Online und Print gegeneinander in Stellung gebracht hat, der Diskussionen mit Redakteuren großräumig vermied, der als journalistischer Inspirator weder bei Print noch bei Online auffiel, der sich um die Cover-Gestaltung des Heftes nur in Viertelstündchen widmete."
Büchners "Spiegel 3.0"-Konzept, das neue Erlösmodelle und die Fusion von Print- und Onlineredaktion vorsah, war gegen Ende "nur noch ein Strukturpapierchen, das Ressortleiter quer durchs Haus schob und kritische Ressortleiter gleich vor die Tür", so Schnibben, der sich dagegen wehrt, als Blockierer bezeichnet zu werden.
"Harte Zeilen"
Schnibben: "Lieber Ove, lieber Wolfgang, das sind harte Zeilen, ja, ich schreibe sie nicht, um euch zu verletzen, ich schreibe sie, weil ich nicht mehr ansehen kann, wie eine ganze Redaktion, die sich für die richtige Sache stark macht, als ein Haufen von Fortschrittsverweigerern an den Pranger gestellt wird."
Wer die "Spiegel"-Chefredaktion" nach dem Abgang Büchners übernimmt und wie es mit der Print- und Onlineverzahnung weitergeht, ist noch unklar. Bis auf weiteres wird die Redaktion von den beiden stellvertretenden Chefredakteuren Klaus Brinkbäumer und Clemens Höges geführt. Barbara Hans und Florian Harms, stellvertretende Chefredakteure von "Spiegel Online", verantworten den Onlinebereich.
Online formuliert Forderungen
Die Gräben sind zwischen Online und Print tief, das zeigt auch ein E-Mail, das der Online Betriebsrat am Donnerstag an die Belegschaft und die Führungsebene adressierte. Meedia.de zitiert daraus: Das Image des Hauses in der Öffentlichkeit sei katastrophal, heißt es. Formuliert sind auch ein paar Forderungen. Etwa, dass die künftig Führung aus gleichberechtigten Mitgliedern bestehen solle. Außerdem müsse die "höchst unterschiedlichen Arbeits- und Vertragsbedingungen" angeglichen werden. Und: Nach wie vor bestehe "ein Gefälle bei Einkommen und Sozialleistungen innerhalb des Hauses". (red, derStandard.at, 5.12.2014)