Die Urteile im Wiener Neustädter Schlepperprozess – sieben Schuldsprüche, ein Freispruch – haben bei den Beschuldigten, ihren Freunden und Unterstützern Empörung ausgelöst: zu Recht, wenn man deren Argumentation folgt, es handle sich bei dem Verfahren um ein politisch bedingtes.

Dafür spricht einiges, allem voran das Timing bei der In-U-Haft-Nahme der acht Männer im Juli 2013, von denen mehrere der Asylwerber-Protestbewegung im Servitenkloster nahestanden: Die Festnahmen fanden kurz nach der Abschiebung von weiteren acht dortigen Aktivisten statt. Der Bewegung insgesamt, die Polizei und Fremdenbehörden sichtbar lästig geworden war, versetzte das Schläge.

Verteufelungsversuch

Auch die damalige Wortspende von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die die Festgenommen als Teil einer skrupellosen, Menschenleben aufs Spiel setzenden Schlepperbande darstellte, ist rückwirkend als Verteufelungsversuch zu bezeichnen: Während des monatelangen Prozesses gab es keinerlei Hinweise auf derartige Praktiken der Angeklagten.

Doch angesichts der nun gesprochenen Urteile, die nicht rechtskräftig sind, gibt es auch eine Ebene jenseits des vielleicht verständlichen Zorns: jene des Vergleichs mit den gar nicht so wenigen anderen Verfahren wegen Paragraf 114 Fremdenpolizeigesetz, der "Schlepperei" unter Strafe stellt.

Prozessvergleich

Hier ist festzuhalten: Die von dem Wiener Neustädter Schöffengericht ausgesprochenen Strafausmaße sind im Vergleich keineswegs streng, sondern im Gegenteil sogar relativ milde ausgefallen. Keiner der Angeklagten wird erneut ins Gefängnis gehen müssen.

Die unbedingten Haftstrafen sind allesamt schon durch die – in diesem wie in anderen Fällen überlangen – Untersuchungshaften abgebüßt: eine typisch österreichische, kritisierenswerte Lösung, die etwaige Entschädigungsdiskussionen hintanhält.

Vielfach nur weiche Beweise

Das bedeutet aber auch: Auf Grundlage von Beweisen und Indizien, die Beobachtern des Wiener Neustädter Schlepperprozesses vielfach weich und ungenau vorkamen, sind in Österreich beachtliche Gefängnisstrafen wegen "Schlepperei" möglich. Ein Umstand, der unter anderem mit den laut Schlepperparagraf vorgesehenen extremen Höchststrafen zu tun hat. Bezüglich dieses Paragrafen herrscht dringend Diskussionsbedarf. (Irene Brickner, derStandard.at, 5.12.2014)