Bild nicht mehr verfügbar.

Nur Mut! Der Blechmann (Oliver Liebl) bei der Arbeit in der Oper.

Foto: APA/Pálffy

Wien - Der erste Durchlauf im Opernhaus: Was bisher auf der Probebühne erarbeitet wurde, muss jetzt im Großen funktionieren, in anderen räumlichen Dimensionen, im dramaturgischen Bogen ebenso wie in vielen Übergängen. Man könnte Hektik und Aufregung erwarten. Doch auf und hinter der Bühne der Volksoper Wien laufen die Vorbereitungen für die Bühnenprobe zwar intensiv, aber geordnet.

Stoisch setzen die Arbeiter die Drehbühne in Gang. Hunderte Requisiten befinden sich am richtigen Platz, die Hauptdarstellerin prüft nochmals ihr Kleid, das sie ganz schnell wechseln muss, der Kinderchor übt seine Choreographie, während in der Maske die giftgrüne Hexe den letzten Schliff erhält. Dann geht er auf, der Vorhang, und kurze Zeit später auch jener Regenbogen, der den Zauberer von Oz berühmt gemacht hat: "Somewhere over the Rainbow ..."

Die 17-jährige Judy Garland sang es 1939 im Film The Wizard of Oz nach dem Kinderbuch von Lyman Frank Baum; die Nummer von Arlen/Harburg erhielt 1940 einen Oscar und gehört zu den populären Evergreens. In abgeschwächter Form gilt das auch für Ding-Dong! The Witch Is Dead, das von Ella Fitzgerald ebenso gecovert wurde wie von Klaus Nomi.

Ein wenig ergeht es dem Mädchen Dorothy wie Alice im Wunderland, sobald sie das triste Kansas verlassen und sich mit Hund Toto in die Märchenwelt der Munchkins begeben hat. Mit einer Vogelscheuche, einem Blechmann und einem Löwen, der sich als überaus ängstlich entpuppt, macht sie sich auf den Weg zum Zauberer, nicht ohne bei jeder neuen Figur revueartig Station zu machen. Doch aller Surrealismus dient einer Botschaft, die zu vermitteln dem Magier vorbehalten ist. Anders als sie dachten, fehlen den drei Gestalten weder Verstand, Herz noch Mut, sondern allein der Glaube an sich selbst.

An der Volksoper glaubt man an das Stück, das in einer Bühnenfassung der Royal Shakespeare Company gezeigt und von einem inszeniert wird, der dafür prädestiniert ist, zwischen angelsächsischer und österreichischer Kultur zu vermitteln: dem gebürtige Brite Henry Mason, Musical- und Shakespeare-Spezialist, hat die Geschichte gemeinsam mit Ausstatter Jan Meier in ein fantastisches Gewand verpackt. Verschwenderisch ist dabei vor allem die Fantasie, die dank Licht und Bewegung auch auf fast leerer Bühne in Gang gesetzt wird, die sich dann freilich effektvoll füllt.

So kommt in der Vorweihnachtszeit neben Hänsel und Gretel ein neues Angebot hinzu, das die ganzjährigen Projekte für junges Publikum an der Volksoper ergänzt. Man sieht sich sogar als "das familienfreundlichste Theater Wiens", unterhält nicht nur einen eigenen Kinder- und Jugendchor, sondern bietet für alle Vorstellungen bis zum 15. Geburtstag um 75 Prozent ermäßigte Eintrittspreise an. (Daniel Ender, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)