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Ein Wünschelrutengeher in den späten 1970er-Jahren in Kalifornien: Dass derartige Sensoren für nicht existierende Phänomene ein Humbug sind, hat sich bis nach Österreich noch nicht herumgesprochen.

Foto: Bettmann/Corbis

Eine Wünschelrute ist ein vielseitiges Instrument. Man kann damit nach Wasseradern und Erdstrahlen suchen, morphogenetische Felder messen oder feinstoffliche Schwingungen identifizieren. Das ist insofern bemerkenswert, als keines dieses Phänomene in der Realität existiert.

Zum Beispiel die Wasseradern: Laut den Radiästheten (wie sich die Benutzer von Wünschelruten auch gerne nennen) geben diese unterirdischen Flussläufe eine hinterhältige "Erdstrahlung" ab, die für alle Arten des Unwohlseins verantwortlich ist. Die Auswirkungen reichen von schlechtem Schlaf über Konzentrationsstörungen bis hin zu tödlichen Krebserkrankungen. Und wer das Pech hat, über so einer Ader zu leben, sollte den Wünschelrutengehern zufolge dringend etwas dagegen unternehmen. Die Geologen allerdings haben bis heute keine Wasserader gefunden oder die Existenz irgendwelcher "Erdstrahlen" nachweisen können. Man weiß schon lange, dass Grundwasser flächenhaft anstatt in Form klar definierter Adern durch das Gestein fließt und dabei auch keine mysteriöse Strahlung erzeugt.

Von "Geopathie" befallen

Das hindert die Radiästheten aber natürlich nicht daran, entsprechende "Erdstrahlungsentstörgeräte" zu verkaufen. Die "Erdstrahlenhilfe" im Internet beispielsweise informiert Ängstliche: "Genauso wie Sie für gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung selbst verantwortlich sind, liegt es auch in Ihrer eigenen Verantwortung, Ihren Körper vor Erdstrahlen zu schützen." Wer unter Kreuzschmerzen, Erkältung, Reizblase oder Migräne leidet; wer depressiv oder Alkoholiker ist; wer keine Kinder bekommen kann oder "diffuse Schmerzen" hat, den hat angeblich eine "Geopathie" befallen. Zum Glück kann man auf der gleichen Seite auch gleich das passende Heilmittel kaufen: den "Hamoni® Harmonisierer" für nur 129 Euro, der immerhin "eine Halbkugel mit Radius von 12m vor Erdstrahlen abschirmt".

Wer sicher gehen will, dass im eigenen Heim keine böse Erdstrahlung lauert, sollte einen Radiästheten mit einer Hausuntersuchung beauftragen. Die Preise dafür variieren, aber die "Vereinigung deutscher Rutengänger" vermittelt Experten zum Festpreis. 298 Euro kostet dort der Wünschelruteneinsatz in der Wohnung. Die Chancen, dass die Wünschelrute ausschlägt, ist groß. Dafür sorgt der aus der Psychologie bekannte "Carpenter-Effekt": Sieht man eine Bewegung oder denkt man auch nur daran, löst das im Körper unbewusst die Tendenz aus, diese Bewegung auszuführen. Oder anders gesagt: Denkt der Rutengänger daran, dass seine Wünschelrute ausschlagen sollte, dann wird sie das auch tun. Dank der speziellen Formen der Ruten und der Art und Weise, wie sie gehalten werden, ist ihre Lage äußerst labil und sie reagieren schon auf kleinste Muskelbewegungen.

So wird das ganze Konzept der Erdstrahlen zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Ein Radiästhet, der davon überzeugt ist, dass ein bestimmtes Leiden auf störende Strahlung aus der Erde zurückzuführen ist, wird diese Strahlung auch immer "nachweisen" können, denn dort, wo er sie vermutet, wird seine Rute sie dank dem Carpenter-Effekt auch problemlos finden. Und da es die Erdstrahlen in der Realität gar nicht gibt, kann man sie entdecken, wo immer man auch möchte ...

Straßenabschnitte "entstören"

Dass sich mit Wünschelruten außer der eigenen Überzeugung nichts finden lässt, ist eigentlich schon länger bekannt. 1950 haben die Direktoren der geologischen Landesämter in Deutschland in einer Erklärung festgestellt: "Die Direktoren der genannten geologischen Landesämter müssen daher nachdrücklichst darauf aufmerksam machen, daß die Wünschelrute zum Aufsuchen von Bodenschätzen jeglicher Art, einschließlich Wasser, völlig unbrauchbar ist. Vor allem muß bei allen Arbeiten, die ganz oder teilweise durch öffentliche Mittel finanziert werden, aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnis die Verwendung der Wünschelrute entschieden abgelehnt werden"

Bis nach Österreich hat sich diese Empfehlung allerdings immer noch nicht herumgesprochen. Hierzulande beauftragte beispielsweise die ASFINAG bis zum Jahr 2007 Rutengänger, um unfallträchtige Straßenabschnitte zu "entstören" . Und in Niederösterreich "erforscht" heute noch das "Europäische Zentrum für Umweltmedizin" mit Wünschelruten die Auswirkungen von Erdstrahlen auf die Gesundheit von Menschen und wird dabei von der niederösterreichischen Landesregierung unterstützt.

Die schnöde Realität

Wünschelruten sind einfach zu verlockend, als dass sie durch die schnöde Realität verdrängt werden könnten. Sie sind ein ideales Instrument zur Selbst- und Fremdtäuschung und die Rutengeher werden weiterhin felsenfest davon überzeugt sein, dass sie Erdstrahlen, Störzonen und Wasserquellen nachweisen können. Dass jede seriös durchgeführte Prüfung der Radiästhesie bisher zu negativen Ergebnissen gelangt ist, wird sie nicht davon abhalten, die Strahlung aus der Erde als simple Ursache für komplizierte Probleme zu identifizieren. Nichts ist eben angsteinflößender als eine unsichtbare Gefahr; selbst wenn diese gar nicht existiert. (Florian Freistetter, derStandard.at, 10.12.2014)