Jerusalem - In Israel zeichnet sich für die vorgezogenen Parlamentswahlen im März ein Mitte-Links-Bündnis gegen eine vierte Amtszeit von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ab. Oppositionsführer Jizchak Herzog von der Arbeitspartei und die entlassene Justizministerin Zipi Livni von der liberalen Partei Hatnua (Bewegung) bestätigten am Wochenende fortgeschrittene Verhandlungen über eine gemeinsame Wahlliste.

"Es wird eine gemeinsame Liste geben, weil wir - anders als bei den letzten Wahlen - das gemeinsame Ziel haben, Netanjahu zu verhindern", erklärte Livni im israelischen Fernsehen. Die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den Palästinensern soll eine der Prioritäten des Bündnisses sein.

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Die bisherige Chefunterhändlerin mit den Palästinensern in der gescheiterten Mitte-Rechts-Koalition verwies auf ihre guten Draht zu Herzog und zum Chef der rechtsliberalen Zukunftspartei Jair Lapid. Finanzminister Lapid war vergangene Woche gemeinsam mit Livni aus dem Kabinett entlassen worden.

Im israelischen Parlament, der Knesset, wurde am Sonntag weiter über ein Gesetz zur Festsetzung von Neuwahlen am 17. März beraten, das am Montag in letzter Lesung verabschiedet werden soll.

Herzog, jenseits des rechten Lagers derzeit aussichtsreichster Bewerber um das Amt des Regierungschefs, war laut Zeitungsberichten Ende vergangener Woche gemeinsam mit Livni zur Nahostkonferenz "Saban Forum" nach Washington gereist, wobei das Bündnis ausgiebig vorbereitet wurde. Mit einbezogen in die Planungen ist demnach auch die geschrumpfte Partei Kadima unter Ex-Verteidigungsminister Shaul Mofas, die allein an der Sperrklausel scheitern dürfte. "Ich spreche mit Livni, meines Erachtens eine sehr fähige Politikerin, und mit anderen, um gemeinsam anzutreten", bestätigte Herzog im Fernsehen.

Ultraorthodoxe Parteien in Regierung

Laut einer aktuellen Umfrage, die das Wirtschaftsmagazin "Globes" in Auftrag gab, könnte eine gemeinsame Liste von Arbeitspartei und Hatnua 24 Knessetmandate erreichen; Netanjahus Likud würde mit 22 Sitzen zweitstärkste Kraft werden. Lapids Zukunftspartei, gegenwärtig mit 19 Sitzen die stärkste Knessetfraktion, ist dagegen in allen Umfragen im freien Fall und könnte ebenfalls an Bündnissen interessiert sein.

Netanjahu hat seinerseits angekündigt, dass er nach den Wahlen neben den beiden rechtsgerichteten Parteien Jüdisches Heim von Wirtschaftsminister Naftali Bennett und Unser Haus Israel von Außenminister Avigdor Lieberman wie in der Vergangenheit die beiden ultraorthodoxen Parteien in die Regierung holen will. Sie seien "die natürlichen Verbündeten" des Likud, sagte Netanjahu schon vor dem Auseinanderbrechen der aktuellen Koalition.

Ultraorthodoxe Frauen

Ultraorthodoxe Israelinnen wollen künftig im Parlament vertreten sein. Unter den Haredim, den Gottesfürchtigen, formierte sich eine Frauenbewegung, die sich gegen den Ausschluss von Frauen bei der Listenaufstellung der beiden ultraorthodoxen Parteien wehrt, wie eine Vertreterin am Sonntag bekanntgab.

"Gottesfürchtige Frauen bilden fünf Prozent der Bevölkerung, wir wollen auf jeder der beiden Listen mindestens eine Frau auf einem sicheren Platz", sagte Esti Reider-Indorski im öffentlichen Radio. Ähnliche Bestrebungen hatte es bereits vor einem Jahr bei den Kommunalwahlen gegeben.

In einem Manifest drohten die Haredi-Frauen an, anderenfalls einen Wahlboykott zu organisieren. Dies könnte die Shas-Partei der orientalischen Ultraorthodoxen, die bisher elf Sitze innehat, und das Vereinigte Tora-Judentum, die Partei der aus Europa stammenden Haredim mit derzeit sieben Mandate, viele Stimmen kosten.

Nur als Assistentinnen

Bisher waren ultraorthodoxe Frauen, erkennbar an ihrer hochgeschlossenen Kleidung sowie den Kopfbedeckungen oder Perücken, die das eigene Haar bedecken müssen, nur als Assistentinnen männlicher Abgeordneter oder als Kandidatinnen anderer Parteien in der Knesset vertreten. Im aktuellen Parlament haben sie allerdings keine Vertreterinnen.

Eine der bekanntesten Ultraorthodoxen, Adina Bar Shalom, Tochter des verstorbenen geistlichen Führers der Shas-Partei, Ovadja Josef, kündigte an, für die neue zentristische Partei von Moshe Kachlon anzutreten. Die Gruppierung des ehemaligen Sozialministers könnte nach der Wahl vom 17. März das Zünglein an der Waage bilden. (APA, 7.12.2014)