Paris - Mit ihrem Reformaufruf an Frankreich hat sich die deutsche Kanzlerin Angela Merkel scharfe Attacken - zunächst einmal aus dem Nachbarland - eingehandelt. "Maul zu, Frau #Merkel", twitterte der Linkspolitiker Jean-Luc Melenchon am Sonntagabend auf Deutsch. Er fügte hinzu: "Frankreich ist frei." Merkel solle sich besser um die "Armen" in ihrem eigenen Land und um die ruinierte Infrastruktur in Deutschland kümmern. Auch in Rom ist man eher wenig amüsiert. Merkel solle sich auf das Problem der sinkenden internen Nachfrage und auf die rückgängigen Investitionen in ihrem Land konzentrieren, konterte der italienische Europa-Staatssekretär Sandro Gozi am Montag.
Die deutsche Bundesregierung ist nun um Entspannung bemüht. Deutschland habe schon mehrfach "großen Respekt" über beide Länder ausgedrückt, die erhebliche Reformanstrengungen in Europa leisteten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.
Handlungsbedarf bei Strukturreformen
Die EU-Kommission habe bei Frankreich und Italien das Risiko einer Verletzung des Stabilitäts- und Wachstumspakts festgestellt und bei Strukturreformen Handlungsbedarf diagnostiziert. "Das ist die Kommission und nicht Deutschland", fügte er hinzu. Deutschland wisse, dass ein Reformprozess Mut erfordere und wie etwa in Italien innere Schwierigkeiten mit sich bringe. Die Kanzlerin habe mehrfach ausgedrückt, dass sie den Reformkurs unterstütze. Mit dem "Jobs Act" habe Italien einen "wichtigen ersten Schritt" zur Reform seines Arbeitsmarktes gemacht. "Man muss nicht die Bundesregierung überzeugen, sondern man muss die Europäische Kommission überzeugen."
Merkel hatte am Wochenende in der "Welt am Sonntag" die bisherigen Reformanstrengungen in Frankreich und Italien als unzureichend eingestuft. Die EU-Kommission habe "deutlich gemacht, dass das, was bis jetzt auf dem Tisch liegt, noch nicht ausreicht", sagte Merkel und hob hervor: "Dem schließe ich mich an."
"Wir brauchen Reformen"
Frankreichs Finanzminister Michel Sapin sagte dazu am Sonntag, die Regierung in Paris setze ihre Reformen für Frankreich um und "nicht, um diesem oder jenem europäischen Politiker eine Freude zu machen". Sapin verwies dabei auch darauf, dass Merkels Äußerungen im Zusammenhang mit dem Parteitag ihrer CDU in dieser Woche in Köln gesehen werden müssten. "Wir machen Reformen", hob Sapin im Sender France 5 hervor.
Die sozialistische Regierung in Paris legt am Mittwoch ein neues Reformgesetz für die Wirtschaft vor. Dieses sieht unter anderem die Ausweitung verkaufsoffener Sonntage vor.
(APA/AFP, 8.12.2014)