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Von links nach rechts: Angela Kane, Hohe Beauftragte der Vereinten Nationen für Abrüstung, Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes, Außenminister Sebastian Kurz, Erzbischof Silvano Tomasi und Setsuko Thurlow, Überlebende des Atombombenangriffs auf Hiroshima

Foto: EPA/DRAGAN TATIC

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Test einer französischen Atombombe auf dem Mururoa-Atoll im Jahr 1971. Anders als die USA und Großbritannien war Frankreich auf der Wiener Konferenz nicht vertreten.

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Setsuko Thurlow war 13 Jahre alt, als sich ihre Heimatstadt in die Hölle auf Erden verwandelte. Es war ein klarer Morgen am 6. August 1945, und Thurlow war in der Schule, als die USA die Atombombe über Hiroshima abwarfen. Die meisten ihrer Klassenkameradinnen seien bei lebendigem Leibe verbrannt, erinnert sich Thurlow. "Ich höre noch ihre Stimmen, wie sie nach ihren Müttern gerufen haben." Überall sei Blut gewesen, Leichen, noch Lebende mit abgerissenen Gliedmaßen oder aufgeplatzten Bäuchen, aus denen die Gedärme heraushingen. Bis heute stürben Menschen an den Spätfolgen des Abwurfs. "Wie lange noch können wir es den Atomwaffenstaaten erlauben, weiterhin unser Leben auf dieser Erde zu bedrohen?"

Diese Frage stellen sich inzwischen nicht nur NGOs, Vertreter der Zivilgesellschaft und Experten, sondern auch eine wachsende Zahl an Ländern ohne Nuklearwaffen. 158 der 193 UN-Mitgliedsstaaten waren vertreten, als in der Wiener Hofburg am Montag eine zweitägige Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen eröffnet wurde. Dort erzählte Thurlow ihre Geschichte.

Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz, Vorsitzender der Konferenz, warnte davor, Atomwaffen als bloß "abstrakte Gefahr" zu sehen. "Solange Nuklearwaffen existieren, bleibt das Risiko real." Österreich wolle "ein neues Momentum für nukleare Abrüstung" – die Konferenz solle dazu ihren Beitrag leisten.

Botschaft Ban Ki-moons

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verwies in einer verlesenen Botschaft auf die "Sinnlosigkeit, die Mittel unserer gegenseitigen Zerstörung für viel Geld zu modernisieren – während wir an den Herausforderungen scheitern, die Armut, Klimawandel, Extremismus und die Anhäufung konventioneller Waffen an uns stellen".

Mit dem Fokus auf humanitäre Konsequenzen hoffen die teilnehmenden Staaten, die Abrüstungsdebatte zu verändern – weg von rein sicherheitspolitischen Überlegungen. Denn "wenn jemals etwas passiert, sind die Auswirkungen global", sagt ein Diplomat.

Ein Bericht der Organisation Internationale Ärzte für die Verhütung eines Atomkriegs (IPPNW) schilderte vor einigen Monaten die Auswirkungen eines begrenzten Atomkriegs zwischen Indien und Pakistan. Nicht nur würden Millionen Menschen sofort sterben: Ein Temperatursturz aufgrund von Rußpartikeln in der Atmosphäre wirke sich auf die Nahrungsmittelproduktion aus – zwei Milliarden Menschen wären von Hungersnöten bedroht. Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer, betonte, im Falle einer Atomwaffendetonation habe keiner die Kapazitäten, mit der humanitären Katastrophe fertigzuwerden.

"Erster Erfolg"

Die Wiener Konferenz ist nach Oslo im Frühjahr 2013 und Nayarit, Mexiko, im Februar dieses Jahres die dritte zu diesem Thema. Während Indien und Pakistan bereits an vorherigen Konferenzen teilgenommen haben, waren in Wien mit den USA_und Großbritannien erstmals auch zwei der fünf offiziellen Atommächte vertreten – was Kurz als "ersten Erfolg" bezeichnete. Sie hatten die Treffen bisher blockiert. China schickte einen Beobachter.

Es sind just die fünf offiziellen Atommächte, die mit dieser Konferenz unter Druck gesetzt werden sollen, um mehr für die nukleare Abrüstung zu tun. Die Verpflichtung, Schritte zum Abbau ihrer Atomarsenale zu setzen, ist schon im Atomwaffensperrvertrag (NPT) von 1968 festgeschrieben. Im April 2015 findet eine NPT-Überprüfungskonferenz statt, bei der schwierige Verhandlungen erwartet werden. Das Treffen in Wien dient auch der inhaltlichen Vorbereitung.

Erstmals richtete sich auch Papst Franziskus mit einer Botschaft an die Konferenz, verlesen vom apostolischen Nuntius Silvano Tomasi. Darin hieß es: "Nukleare Abschreckung und die Bedrohung durch gegenseitige Zerstörung können keine Grundlage sein für eine Ethik der Brüderlichkeit und des friedlichen Zusammenlebens der Völker und Staaten. Die Jugend von heute und morgen verdient viel mehr." (Julia Raabe, DER STANDARD, 9.12.2014)