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Der Krieg ist stets allgegenwärtig in der Ostukraine: ein Panzer in der Nähe der Metropole Donezk.

Foto: REUTERS/Maxim Shemetov

Zehn tote Zivilisten an einem Wochenende: Von der im September ausgehandelten Feuerpause ist in Donezk nichts zu spüren. Am Montag beruhigte sich die Lage zwar in der Stadt, dafür verlagerte sich der Schwerpunkt der Gefechte nach Osten in Richtung Debalzewo, wo die Rebellen versuchen, den vom ukrainischen Militär gehaltenen Frontvorsprung auszumerzen.

Die Kämpfe erinnern immer mehr an Abnutzungsschlachten. Truppenbewegungen gibt es nicht, und mit einem schnellen Erfolg kann keine der beiden Konfliktparteien mehr rechnen. Die Ressourcen sind aufgebraucht: In Kiew ist selbst das Geld für die Wärme- und Stromversorgung der Bevölkerung knapp. Der Ausfall eines Atomkraftwerks im Südosten des Landes führte zu landesweiten Stromausfällen und infolgedessen zu heftigen Protesten. Auch die Rebellenrepubliken sind nicht für den Winter gerüstet. Die Gefechte vergrößern bloß das Elend der Zivilbevölkerung.

Gespräche auf 12. Dezember verlegt

Angesichts dessen ist die Bereitschaft auf einen – zumindest zeitlich begrenzten – Frieden größer als zuletzt. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat eine neue Verhandlungsrunde in Minsk angeregt. Eigentlich sollten die Gespräche bereits am Dienstag beginnen, doch Vertreter der "Donezker Volksrepublik" (DVR) haben das Treffen auf Freitag, den 12. Dezember, verlegt.

"Die Verhandlungen in Minsk finden diese Woche statt, sobald die Ukraine die Tagesordnung bestätigt", sagte DVR-Verhandlungsführer Denis Puschilin. Der Rebellenführer fordert zuvor Angebote Kiews zur Aufhebung der Wirtschaftsblockade des Donbass-Gebiets und zur Umsetzung des Gesetzes über dessen Sonderstatus.

Moskaus Kurswechsel

Auch wenn Puschilin noch ein wenig pokert; die Forderungen sind erstaunlich moderat. Über die Anerkennung der Unabhängigkeit verlieren die Rebellenführer in diesen Tagen kaum noch Worte. Das hängt wohl auch mit dem graduellen Kurswechsel in Moskau zusammen: Dort wurde zuletzt Boris Rapoport, einer der Unterstützer der Separatisten, aus der Präsidialadministration entlassen. Die "Nowaja Gaseta" berichtete daraufhin unter Berufung auf hochrangige Quellen, dass die Idee eines "unabhängigen Neurusslands" im Kreml fallengelassen wurde.

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Kiew und Moskau wurden wieder aufgenommen. In den nächsten Tagen soll bereits russisches Gas in die Ukraine fließen. Daneben wird auch über Stromlieferungen verhandelt. Präsident Wladimir Putin gab sich nach einem Treffen mit Frankreichs Staatschef François Hollande ebenfalls versöhnlich. Er sei für die territoriale Integrität der Ukraine, versicherte er. "Ich gehe davon aus, dass das Wirtschaftsleben wiederhergestellt wird und jegliche Elemente einer wie auch immer gearteten Blockade ausgeschlossen sind", forderte er von Kiew als Vorbedingung.

Vorwürfe Putins

Putin warf ausdrücklich beiden Seiten vor, die im September getroffenen Waffenstillstandsvereinbarungen zu verletzen. Wenn Artillerie und schwere Waffen von der Frontlinie abgezogen würden, sei er zuversichtlich, dass eine neue stabile Waffenruhe in Kürze erreicht werden könne.

Angesichts des Drucks aus Moskau ist die Zustimmung der prorussischen Rebellen zu einem Einfrieren des Konflikts wahrscheinlich. Von einem echten Frieden ist die Ukraine aber noch weit entfernt. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 9.12.2014)