Wien - Das hat immer noch Zukunft. Sich über Casting Shows lustig zu machen und dabei auch noch die gewohnten Präsentationsformate für Tanz einem Crashtest zu unterziehen. Das Tanzquartier Wien hat es am Wochenende mit der dreistündigen Show Flesh Dance versucht. Mit erstaunlichem Resultat.

Die billigste Art, der Kunst ihre Diskurse zu verhageln, ist der Wettbewerb. Aber "Kompetischn" erscheint ja überall dort, wo das Angebot die Nachfrage übersteigt. Oder wo es darum geht herauszufinden, was unter welchen Voraussetzungen als das Allerwerteste zu werten wäre. In diesem stets von höchster Bigotterie erfülltem Gespensterwald erwies sich Flesh Dance als ein frecher Gestaltwandler-Geist.

Anmelden hatte sich jeder dürfen. Genommen wurden die ersten zwanzig Bewerber. Als Moderator - "Guten Abend, Kinder!" - gab es einen alert lausigen Nikolaus. Als solcher perfekt war Martin Schick. Der Schweizer hat vor zwei Jahren sein Stück Halfbreadtechnique im Tanzquartier gezeigt.

Die Jury wurde vor Ort zufällig ausgewählt. Dieser intendierten Unseriosität entsprachen auch die Trophäen. Es gab unter anderem einen Nachhaltigkeits-, einen Backstage- und einen Technikerpreis zu gewinnen. Ein "Hör-auf-Preis", mit dem eines der jeweils drei Minuten dauernden Gustostückerln hätte abgebrochen werden können, wurde vom Publikum abgelehnt. Und, um das an passender Stelle zu erwähnen: Eine Bar gab es auch.

Von der etablierten Wiener Tanzszene wurde Flesh Dance gemieden wie Gift. Kein Wunder, denn da tanzten Zynismusalarm und radikale Ambivalenz einen gefährlichen Tango. Also meldeten sich echte Underdogs beziehungsweise solche, die sich dafür halten, sowie Leute mit Sinn für Humor. Aber auch einige, die den satirischen Charakter von Flesh Dance mit Spaß verwechselten.

Das treffendste Statement kam von einer jungen Tänzerin: Maria Teresa Tanzarella (22) begab sich zu Gloria Gaynors Hit I Will Survive in Liegestützposition - mit nur je einer Hand und einem Fuß auf dem Boden.

Das war die künstlerische Ironisierung der institutionellen Satire: Es kam Tanzarella nicht aufs Durchhalten an, sondern auf die Inszenierung der Publikumserwartung. Fabelhaft waren auch der Auftritt von Anaconda Boy + The Combo of Bangladesh, als Live Act außer Konkurrenz, und ein Song der philosophisch-künstlerischen Sámahedyi Sisters. Insgesamt also: Bingo! (Helmut Ploebst, DER STANDARD, 9.12.2014)