Als "Finanzfürst" wird der 75-jährige Angelo Caloia in Mailand bezeichnet; zwanzig Jahre lang leitete er die Vatikanbank IOR (Istituto per le Opere di Religione). Unter Johannes Paul II. und Benedikt XIV. hatte der aus Norditalien gebürtige Ökonom volle Kontrolle über die Vatikanfinanzen. Angelo hatte in Mailand an der Universitá Cattolica Wirtschaftswissenschaften studiert, absolvierte danach in den USA einen Masterlehrgang und begann in den Siebzigerjahren mit einer akademischen Laufbahn; zunächst in Turin, später dann an der Mailänder Cattolica-Universität.

Der erzkonservative Katholik und Vater von vier Kindern hatte sich von jeher mit Finanzwissenschaften befasst und das Vertrauen der Kirchenoberen erworben. Insofern sollte es nicht verwundern, dass er als Nachfolger des ins schiefe Licht geratenen Kardinals Paul Marcinkus 1989 die Führung der IOR übernahm. Gerüchte, der Marcinkus-Nachfolger gehörte der übermächtigen Geheimloge P2 an und nutze die Vatikanbank auch für weniger ehrbare Zwecke, verdichteten sich. Auch Expremier Silvio Berlusconi soll Mitglied der Geheimloge gewesen sein und unter Caloias IOR-Präsidentschaft bei der Vatikanbank ein Konto eröffnet haben.

Aufpasser

Zwar hatte der Papst bereits einen Aufpasser, Monsignore Dardozzi, dem fragwürdigen Banker zur Seite gestellt. Doch dieser war dem autoritären und mit den Vatikanfinanzen bestens vertrauten und in die Politik involvierten Ökonomen nicht gewachsen. Erst in seinem Testament erhob der 2003 verstorbene Dardozzi Anschuldigungen gegen die IOR-Führung. Diese habe nicht nur Mafiagelder reingewaschen, sondern auch die Konten von berüchtigten Politikern verwaltet. Die Freimaurer-Loge wurde per Gerichtsurteil geschlossen.

Damit wurde es eng für den Professor: Am Höhepunkt der Weltfinanzkrise musste er 2009 abtreten. Es sollte weitere fünf Jahre dauern, bis die Justiz des Vatikanstaates Ermittlungen gegen den einstigen IOR-Präsidenten, seinen ehemaligen Generaldirektor Lelio Scaletti und deren Vertrauensanwalt Gabriele Liuzzo einleitete. Vorerst konzentrieren sich die Ermittlungen auf Unterschlagung öffentlicher Gelder. Auf Konten des Expräsidenten und seiner Mitarbeiter sollen bis zu 20 Millionen Euro von IOR-Konten gelandet sein. Außerdem fahnden die Ermittler nach weiteren "Geheimkonten" bei italienischen Banken. Für Vatikankenner ist das nur die Spitze eines Eisbergs. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, 9.12.2014)