Markus Spillmann tritt als "NZZ"-Chefredakteur ab.

Foto: NZZ / Christoph Ruckstuhl

Zürich/Lech/Wien – Es muss sehr schnell gegangen sein in Zürich – oder Markus Spillmann ist ein sehr guter Schauspieler: Am Wochenende noch war dem Chefredakteur der "Neuen Zürcher Zeitung" beim Mediengipfel in Lech am Arlberg nicht anzumerken, dass er seinen Job am Dienstag nach zwölf Jahren in der Chefredaktion, acht davon als Chefredakteur, aufgeben würde.

Spillmann, Jahrgang 1967, war seit Frühjahr 2002 Stellvertreter des Chefredakteurs und seit 1. April 2006 Chefredakteur der Schweizer Qualitätszeitung im Besitz von Aktionären, die sich zum Gedankengut der Freisinnigen Partei bekennen sollten. Mit "unterschiedlichen Vorstellungen" von Spillmann und dem Verwaltungsrat des NZZ-Konzerns begründete die "Neue Zürcher" den überraschenden Abgang mit Jahresende. Die NZZ-Mediengruppe ließ am Dienstag verlauten, sie wolle sich "gezielt auf die Anforderungen eines veränderten Marktumfelds ausrichten".

Dissens über Umsetzung

Über die "grundsätzliche Stoßrichtung" seien Spillmann und der Verwaltungsrat einig gewesen, berichtete die "NZZ": "Unterschiedliche Vorstellungen gab es in Bezug auf die konkrete Umsetzung. Ein Konsens konnte nicht gefunden werden, weshalb man sich nun darauf geeinigt hat, dass Markus Spillmann per Ende des Jahres von seinen Funktionen zurücktritt." Der Verwaltungsrat wolle Spillmann weiter im Unternehmen halten und werde "mit ihm diesbezügliche Optionen prüfen".

Der Medienkonzern ließ am Dienstag verlauten, man habe die Suche nach "geeigneten Nachfolgern eingeleitet". Spillmann war Chefredakteur und Leiter der Publizistik in der NZZ AG. Die Funktionen werden nun getrennt.

Als Nachfolger in der Chefredaktion kolportierten Schweizer Journalisten zunächst Markus Somm, früher bei der "Weltwoche" und nun mit dem rechtspopulistischen SVP-Chef Christoph Blocher Gesellschafter und Verleger der "Basler Zeitung". Somm, auch Blocher-Biograf, soll nach späteren Angaben derselben Quellen tatsächlich ein Thema im Verwaltungsrat gewesen sein; er sei aber kein realistischer Kandidat. Somm würde jedenfalls einen Rechtsruck für die "Neue Zürcher" bedeuten.

Österreicher am Ruder

Den viertgrößten Schweizer Medienkonzern führt seit 2013 der Österreicher Veit Dengler. Er forciert die Umstellung auf digitale Medien und die Expansion nach Österreich und Deutschland. In Österreich bereitet der frühere "Presse"-Chefredakteur Michael Fleischhacker gerade das Bezahlportal nzz.at vor, das Anfang 2015 starten soll. Es gilt vor allem als Testlauf für den weit größeren deutschen Markt.

Spillmann berichtete am Wochenende noch als "NZZ"-Chefredakteur von den Digitalplänen für Österreich. Er halte nichts vom Krankjammern der Medienbranche und dem "Gejammer, alles geht den Bach runter". Und er sprach in der Wir-Form: "Die 'NZZ' ist stark daran interessiert, die Zukunft zu gestalten. Wir erreichen mit unseren Inhalten heute mehr Menschen als früher." (red, APA, 9.12.2014)