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Das Lebensmittelembargo erregt die Gemüter.

Foto: AP/Meyer

Ende der Durchfahrt: Die russische Landwirtschaftsaufsicht RosSelchosNadsor hat 19 Tonnen polnischer Äpfel auf dem Weg nach Kasachstan gestoppt und Richtung Polen zurückgeschickt. Um "die Realisierung von Waren in der Russischen Föderation" zu verhindern, teilte die Behörde am Dienstag zur Begründung mit. Die Äpfel waren über Weißrussland eingeführt worden.

Weißrussland und Kasachstan gehören gemeinsam mit Russland der Zollunion an, die einen freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten und eine gemeinsame Kontrolle an der Außengrenze vorsieht. Sie ist Vorläuferin der von Wladimir Putin initiierten Eurasischen Union, die zum Jahreswechsel kommen soll und der auch noch Armenien und Kirgisistan beitreten wollen.

Gute Geschäfte erhofft

Moskaus Streit mit dem Westen stellt das Projekt jetzt allerdings infrage: Kasachstan und Weißrussland sind dem Embargo gegen europäische Lebensmittel nicht beigetreten. Im Gegenteil: Präsident Alexander Lukaschenko witterte offenbar die Chance auf ein gutes Geschäft durch Reexporte solcher Waren: Seither können russische Supermarktbesucher so exotische Produkte wie weißrussische Krabben, Muscheln oder Südfrüchte kaufen.

Nach einigen Monaten Zuschauen ist im Kreml der Geduldsfaden gerissen. Ende November wurde 22 weißrussischen Betrieben die Einfuhr von Fleisch- und Milchprodukten nach Russland verboten. Offiziell begründete RosSelchosNadsor dies mit Qualitätsmängeln. Darüber hinaus wurde auch der Transit zahlreicher weißrussischer Waren nach Kasachstan und in andere Länder verboten, um die Umgehung der Sanktionen zu verhindern.

Weißrussland reaktiviert Zöllner

Die Maßnahme trifft aber nicht nur schwarze Schafe, sondern die gesamte Speditionsbranche. Weißrusslands Verkehrsminister Anatoli Sewak bezifferte die Verluste für Minsk auf 50 Millionen Dollar. Lukaschenko reagierte verärgert. "Das Verhalten der russischen Führung erstaunt nicht nur, es deprimiert", sagte er - und leitete Gegenmaßnahmen ein: Seit einigen Tagen stehen wieder (weißrussische) Zöllner an der Grenze zwischen beiden Ländern.

Kontrolliert werden sowohl Pkws als auch Lkws. Angeblich dauern die Kontrollen nur einige Minuten, trotzdem haben sich schon kilometerlange Staus gebildet. Besonders hart trifft es Fuhren aus der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad, die nach Zentralrussland unterwegs sind. Deren Abfertigung dauert laut einem Bericht der Tageszeitung Wedomosti drei bis vier Tage.

Getrübtes Verhältnis

Die gegenseitigen Schikanen haben das Verhältnis deutlich eingetrübt. Lukaschenko hat den Sekretär der zwischenstaatlichen Russisch-Weißrussischen Union Grigori Rapota zu einem Krisengespräch einbestellt. Rapota versprach anschließend, dass er alle Hebel der Behörde in Gang setzen werde, um die Probleme weißrussischer Hersteller auf dem russischen Markt zu lösen. Auch vor der neu geschaffenen Eurasischen Wirtschaftskommission wird der Konflikt verhandelt. Will Putin sein Prestigeprojekt Eurasische Union fristgerecht umsetzen, muss er schnell eine Lösung finden, die Weißrussen und andere potenzielle Partner nicht vor den Kopf stößt und ihn zugleich sein eigenes Gesicht wahren lässt. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 10.12.2014)