Fast schon könnte man abwiegeln: Die von einem Politiker der ungarischen Regierungspartei Fidesz angedachten jährlichen Drogentests für Schulkinder werden wahrscheinlich nur freiwillig und nicht verpflichtend sein. Außerdem hat das Ganze der Kommunikationsstab des nationalpopulistischen Premiers Viktor Orbán ausgeheckt, nachdem dieser durch Korruptionsskandale und Bürgerproteste in die Defensive geraten war und von seinen Spezialisten eine wirkungsvolle, auf Bürgerängste abzielende Gegenoffensive verlangt hatte.

Doch so einfach liegen die Dinge nicht. Orbán baut in Ungarn die Demokratie beständig ab und überzieht die Gesellschaft mit einem Netz autoritärer Strukturen. In Ämtern, Krankenhäusern und Schulen herrscht ein Geist des servilen Gehorsams. Jeder Schule ist ein eigener Polizist dienstzugeteilt - als Mitglied des Lehrkörpers! Angeblich dient das der Verbrechensprävention.

Man kann sich nun ausmalen, was passiert, wenn in einer ungarischen Schule Drogentests "auf freiwilliger Grundlage" angeordnet werden. Welche Eltern werden es wagen, ihr Kind nicht testen zu lassen? Es dem Generalverdacht des "Giftelns" auszusetzen? Die Organisation dieser flächendeckenden Tests erfordert den Aufbau einer aufwändigen Infrastruktur. Mit ihr wird die Schraube des repressiven Staates um eine weitere Windung angezogen. Kaum merklich - aber zielgerichtet. (Gregor Mayer, DER STANDARD, 10.12.2014)