Die Erdkröte kann zwar nicht unbedingt mit niedlichem Aussehen punkten, ihre bedrohte Existenz soll aber trotzdem ins Bewusstsein der Menschen gelangen. Das finden jedenfalls Forscher, die gemeinsam mit Schülern ein Projekt in Sachen Amphibien- und Reptilienzählungen in Gärten starten.

Foto: Wolfgang Paill

Graz - Für den Überlebenskampf in unseren Breiten haben Kröte, Unke, Schlange und Co ziemlich schlechte Karten: Unglücklicherweise bevorzugen sie wie wir Menschen thermisch begünstigte Tallagen mit aufgelockerter Vegetation - und wer hier den Kürzeren zieht, ist klar.

Als Siedlungskonkurrenten des Menschen haben Amphibien und Reptilien praktisch keine Chance - durch massive Verbauung, intensive Landwirtschaft und die Trockenlegung von Feuchtgebieten ist den kleinen Kriechern und Hüpfern kaum noch Lebensraum geblieben. Im Gegensatz zu anderen vom Aussterben bedrohten Tierarten können sie nicht einmal mit niedlichem Aussehen um Schonung werben. Und als ob das nicht schon genug wäre, setzen ihnen auch noch Klimawandel und diverse Krankheiten zu.

Um uns diese in ihrer Existenz massiv gefährdeten Tiere ins Bewusstsein zu bringen und ihre Überlebenschancen zu verbessern, wurde ihnen nun ein vom Wissenschaftsministerium finanziertes Sparkling-Science-Projekt gewidmet. Dabei sollen Schüler vier steirischer Schulen in den Gärten von Eltern und Bekannten unter wissenschaftlicher Anleitung Bestandserhebungen der dort lebenden Amphibien- und Reptilienpopulationen durchführen.

"Auf diese Weise werden die jungen Menschen einerseits sensibilisiert und bekommen einen Eindruck von wissenschaftlicher Arbeit, andererseits gelangen wir zu Daten über sonst unzugängliche Areale", sagt Projektinitiator Wolfgang Paill, Leiter der Abteilung Biowissenschaften des Universalmuseums Joanneum in Graz. Konkret richtet sich das wissenschaftliche Interesse der Nachwuchsforscher auf Knoblauch-, Erd- und Wechselkröten, diverse Grün- und Braunfroscharten, einige Molcharten, Zaun- und Mauereidechsen, Blindschleichen sowie Ringel-, Würfel-, Schling- und Äskulapnattern.

Folgen der Gartengestaltung

Neben der Erhebung des Amphibien- und Reptilienbestands sollen auch die Auswirkungen der Gartengestaltung auf das Leben der an den Rand gedrängten Tiere untersucht werden. Immerhin gibt es neben den vielen negativen Umweltveränderungen durch den Menschen auch ein paar für diese Tierarten positive Eingriffe: etwa die mittlerweile weitverbreitete Anlage von Gartenteichen. Auch über das Alter der Biotope sollen die Schüler Informationen sammeln, da bestimmte Arten wie etwa die Gelbbauchunke meist nur neugeschaffene Lebensräume besiedeln und sich bei zunehmendem Bewuchs und bei Besiedlung durch andere Amphibien zurückziehen.

Wie aber gehen die 14- bis 17-jährigen Schüler vor, um einigermaßen zuverlässige Ergebnisse zu liefern? "Zur Erhebung der Molche werden beispielsweise Reusenfallen eingesetzt", sagt Projektpartner Werner Kammel. "Dabei werden die Tiere nicht verletzt und können danach unbeeinträchtigt wieder ausgesetzt werden." Mitunter werden die Jugendlichen nachts mit Taschenlampen bewehrt ausrücken müssen, um die Objekte ihrer wissenschaftlichen Ambition im Gartenbiotop dingfest zu machen.

"Inhaltlich ergeben sich zwei Arbeitsschwerpunkte", sagt Wolfgang Paill. "Auf Grünflächen mit Teichanlagen finden vor allem Erhebungen hinsichtlich der vorhandenen Amphibienpopulationen statt. Die Erfassung von Reptilienbeständen erfolgt hingegen nur auf Flächen, wo bereits vereinzelt Schlangen und Eidechsen beobachtet werden konnten."

Da es in den untersuchten Gebieten keine Giftschlangen gebe, setze man die Schüler auch keiner Gefahr aus. "Die giftige Kreuzotter gibt es nur nördlich der Mur-Mürz-Furche, und der Fund einer Sandviper wäre eine Sensation", beruhigt Paill. Was den Schülern mit etwas Glück über den Weg kriechen könnte, sei allenfalls die harmlose Ringelnatter. Im Projekt lernen die Jugendlichen, die verschiedenen Schlangen voneinander zu unterscheiden und im Fall einer Begegnung die Contenance zu bewahren.

Verwechslungsgefahr

Was aber, wenn es mit der Zuordnung der gefangenen beziehungsweise beobachteten Tiere zu den verschiedenen Arten trotz Einschulung durch Experten doch nicht so ganz klappt? Wenn die Gelbbauchunke der Wechselkröte aus der Ferne zum Verwechseln ähnlich sieht und als solche verzeichnet wird?

"Selbstverständlich können wir nicht davon ausgehen, dass die Artbestimmung von den Schülern so zuverlässig durchgeführt wird wie von Experten", bekennt Paill. "Deshalb sollen die gesichteten Tiere auch per Handykamera dokumentiert werden." Um die wichtigsten Parameter ihres Lebensraums zu erfassen, erstellen Experten gemeinsam mit Lehrern und Schülern einen Erhebungsbogen. Darauf werden etwa Vegetationsstrukturen, Lage, Bodenverhältnisse, potenzielle Gefährdungsfaktoren oder die Intensität der Teich- und Grünflächenpflege festgehalten.

Von März bis Juni 2016 werden die Ergebnisse des Projekts inklusive lebender Exemplare der heimischen Amphibien- und Reptilienpopulationen übrigens in einer eigenen Ausstellung im Grazer Naturkundemuseum zu sehen sein. (Doris Griesser, DER STANDARD, 10.12.2014)