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Gestern noch Produkte aus der "Genussregion" - heute bereits ein Fall für den Restmüll. Eine bessere Bürgerbeteiligung in Informationspflicht hätte Skandale wie die HCB-Vergiftung in Kärnten früher auffliegen lassen, betonen NGOs.

Foto: APA/Gert Eggenberger

Wien - "Ich bin am 27. 11. mit meinen Eltern in der Küche g'sessen, als wir im Radio gehört haben, dass es Probleme mit der Milch gibt", berichtet Thomas Liegl, einer der Vollerwerbsbauern aus dem Görtschitztal. "Um 9.30 Uhr hat dann die Behörde angerufen und uns gesagt, wir dürfen unsere Milch nicht mehr trinken. Da ist uns die Laschen runterg'fallen."

Wie sich später zeigte, hatten andere Landwirte schon seit April Bescheid gewusst. Jetzt steht Liegl nicht nur vor dem Nichts: Er kann sich auch noch Vorwürfe anhören, warum er seine Produkte im Sommer noch in der Buschenschank verkauft habe. Dabei habe sogar seine dreijährige Tochter im Sommer die Milch getrunken.

"Kommunikation war eine Katastrophe"

"Die Kommunikation beim HCB-Skandal war schlicht eine Katastrophe", betont Helmut Burtscher, Umwelttechniker bei Global 2000. Mehr noch: Hätte Österreich wie vorgesehen die Aarhus-Konvention umgesetzt, hätte die Öffentlichkeit deutlich bessere Rechte bei Umweltverfahren, müsste besser informiert werden und hätte einen besseren Zugang zu Gerichtsverfahren.

"Österreich weigert sich, internationales Recht umzusetzen, und ist damit Schlusslicht der EU", kritisierte Thomas Alge, Geschäftsführer des Ökobüros am Mittwochvormittag in Wien. Das heißt: Wäre die Aarhus-Konvention vollständig ratifiziert worden, hätte die Öffentlichkeit in Kärnten umgehend informiert werden müssen - und nicht erst nach einem halben Jahr. Ökobüro und Global 2000 bringen nun eine Umweltbeschwerde ein.

Parallele zum Pestizidskandal in Korneuburg

Gleiches gelte auch für den Pestizidskandal von Korneuburg: Bei einer besseren Beteiligung von Behörden und Öffentlichkeit wären die Probleme weit früher bekannt geworden. Zuletzt war Global 2000 die Beteiligung am Gerichtsverfahren verweigert worden.

In Kärnten dürfte das hochgradig krebserregende Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB) bei der Verbrennung von Blaukalk in den Wietersdorfer Zementwerken in die Umwelt gelangt sein - die Umweltschutzorganisation Greenpeace, die HCB in Lebensmitteln entdeckt hat, vermutet, dass die Verbrennung bei zu niedrigen Temperaturen erfolgte.

Weitere Grenzwertüberschreitung

Am Mittwoch wurde im Görtschitztal eine weitere Grenzwertüberschreitung festgestellt: In der Butter eines Direktvermarkters mit Buschenschank wurde das Umweltgift festgestellt, berichtete der Krisenkoordinator des Landes Albert Kreiner. "Die Milchprodukte dieses Direktvermarkters werden vernichtet, die Milchlieferungen sind eingestellt." Der betroffene Bauer sei nun dabei, seine Stammkunden zu kontaktieren. "Sie sollen die Milchprodukte im Restmüll entsorgen."

Entwarnung und Verdachtsfall in Salzburg

Nach der Aussage des Kärntner Landesveterinärs vom Dienstag, andere Regionen Österreichs seien stärker mit Hexachlorbenzol (HCB) belastet als das Görtschitztal, kam am Mittwoch von der Salzburger Umweltabteilung Entwarnung. Bodenproben hätten keine Auffälligkeiten gezeigt. Allerdings werde derzeit ein Verdachtsfall überprüft: Offenbar wurde eine Wiese durch Feuerwerkskörper zu stark belastet. "Derzeit läuft eine genaue Bodenuntersuchung, mit Ergebnissen ist binnen einer Woche zu rechnen", sagte ein Sprecher des zuständigen Landesrats Josef Schwaiger (ÖVP) am Mittwoch zur APA. "Es gibt aktuell aber keinerlei Hinweise auf eine Gesundheitsgefährdung."

Steiermark und Vorarlberg: Keine Funde

In der Steiermark komme das Umweltgift HCB nach Auskunft der Abteilung für Land- und Forstwirtschaft in keiner steirischen Region in auffälliger Menge vor. An 1.000 rastermäßig verteilten Stellen werden seit 1986 alle zehn Jahre Proben entnommen: "In 90 bis 95 Prozent liegt HCB unter der Nachweisbarkeitsgrenze", erklärte Abteilungsleiter Georg Zöhrer am Mittwoch gegenüber der APA. Entwarnung kam auch aus Vorarlberg: In Vorarlberger Grünlandböden sei bei Untersuchungen keine HCB-Belastung gemessen worden, die über dem Grenzwert liegt, erklärte ein Sprecher von Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) auf APA-Anfrage. (Roman David-Freihsl, DER STANDARD, 11.12.2014)

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