Bern/Wien - Die Erde ist bei weitem nicht der einzige Himmelskörper des Sonnensystems, auf dem Wasser zu finden ist. Einige der Jupiter- und Saturnmonde etwa dürften über einen regelrechten Panzer aus kilometerdickem Eis verfügen, unter dem sogar Wasser in flüssiger Form vermutet wird. Im Unterschied zu diesen klirrend kalten Welten besitzt unser Heimatplanet jedoch ausgedehnte Ozeane an seiner Oberfläche. Rund 70 Prozent der Erde sind von ihnen bedeckt. Woher all dieses Wasser allerdings stammt, ist trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch ungeklärt.
Zahlreiche Theorien über die Herkunft des lebensspendenden Elements werden mittlerweile in der Fachwelt diskutiert. Kürzlich erhielt durch die Analyse von Bruchstücken des Asteroiden Vesta eine These Auftrieb, wonach unsere Erde bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt ein "nasser" Planet war. Wassereinschlüsse in sogenannten kohligen Chondriten aus der Anfangszeit des Sonnensystems legen nahe, dass ein Großteil des heute vorhandenen Wassers von der molekularen Wolke stammt, aus der auch unsere Sonne und die übrigen Planeten entstanden sind.
Die Studie widerspricht älteren Szenarien, die davon ausgehen, dass das Wasser erst nachträglich aus dem Weltall auf die Erde gelangte. Kometen galten in diesem Zusammenhang lange Zeit als wahrscheinliche Wasserlieferanten, aber auch Asteroiden werden als vielversprechende Kandidaten gehandelt. Nun musste die Annahme, dass Kometen dereinst der Erde das Wasser brachten, durch Beobachtungen im Rahmen der ESA-Kometenmission "Rosetta" einen weiteren Dämpfer hinnehmen. Allerdings kam der entscheidende Hinweis nicht von "Philae", dem am 12. November unter weltweiter Anteilnahme auf 67P/ Tschurjumow-Gerassimenko gelandeten Minilabor.
Die "Rosetta"-Sonde selbst lieferte mit ihrem Massenspektrometer "Rosina" möglicherweise entscheidende Puzzlestücke, die die Herkunft der irdischen Ozeane erhellen könnten. Das Instrument analysiert den chemischen Fingerabdruck von Wasser und anderen Gasen, die der Komet ausstößt.
Mehr Deuterium als erwartet
Kathrin Altwegg von der Universität Bern, die "Rosina" mitentwickelte, hat gemeinsam mit Kollegen die aktuellsten Messwerte untersucht und ist dabei auf eine Überraschung gestoßen: Das Verhältnis zwischen Wasserstoff und dem Wasserstoff-Isotop Deuterium in den Ausgasungen von "Tschuri" sieht völlig anders aus als jenes der irdischen Wasservorkommen. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von "Science" schreiben, enthalten jene dreimal mehr von dem sogenannten "schweren Wasserstoff" als das Wasser der Erde - was nach Ansicht der Wissenschafter dafür spricht, dass Asteroiden eher als Wasserbringer in Frage kämen.
Damit ist 67P/Tschurjumow-Gerassimenko auch im Vergleich zu anderen Kometen ungewöhnlich reich an Deuterium. Die Messungen lassen nicht nur Kometen als Überbringer des terrestrischen Wassers immer fragwürdiger erscheinen, sie führen auch dazu, dass Astronomen die Herkunft der kurzperiodischen Kometen aus der sogenannten Jupiter-Familie wohl neu bewerten müssen. Die großen Unterschiede in ihren Deuterium-Wasserstoff-Verhältnissen lassen vermuten, dass einige der Kometen aus dem Kuipergürtel stammen, andere jedoch von weit draußen aus der Oortschen Wolke gekommen sind. (Thomas Bergmayr, DER STANDARD, 11.12.2014)