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Probengefäße an einem Massenspektrometer der Ages, wie er verwendet wird um Proben auf das Umweltgift HCB zu testen.
Klagenfurt/Wien - Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) hat bereits Ende März in mehreren Lebensmittelproben aus dem Görtschitztal Überschreitungen der Grenzwerte für Hexachlorbenzol (HCB) festgestellt. Öffentlich wurden diese Zahlen aber nicht, nach Bekanntwerden der HCB-Verseuchung vor einem Monat hieß es lediglich, im Frühjahr seien "geringste Spuren" festgestellt worden.
Diese "geringsten Spuren" sind laut den vorliegenden Ages-Untersuchungsergebnissen jedoch deutliche Grenzwertüberschreitungen. Eine Bröseltopfenprobe vom 27. März wies 0,04 bis 0,079 (Messungenauigkeit) Milligramm HCB je Kilogramm auf, im günstigsten Fall ist das das Vierfache des erlaubten Werts. Eine Ricotta-Probe vom gleichen Tag war mit 0,018 bis 0,035 Milligramm belastet, die Rohmilchprobe eines Bauern mit 0,016 bis 0,033, jene eines zweiten Bauern mit 0,011 bis 0,023 Milligramm Hexachlorbenzol. Die Analysen wurden vom Institut für Lebensmittelsicherheit Innsbruck durchgeführt, der Untersuchungszeitraum ist mit 27. März bis 2. April angegeben.
Auch Landwirtschaftskammer wusste Bescheid
Offenbar wusste die betroffene Molkerei ebenso über die Werte Bescheid wie die Landwirtschaftskammer und die Agrarabteilung des Landes Kärnten. Dass die Ages bei Grenzwertüberschreitungen sehr wohl auch aktiv wird, zeigt ein Blick in die Futtermittellisten vom September. Da wurde Fischmehl aus Peru aus dem Verkehr gezogen. Der Grund: eine HCB-Belastung von 0,078 Milligramm je Kilogramm.
Eigenartig mutet in diesem Zusammenhang die Ages-Information über Hexachlorbenzol an, die auf ihrer Website zu finden ist. Hier ist zu lesen: "Die Ages untersucht routinemäßig in Lebens- und Futtermitteln auf den verbotenen Wirkstoff HCB. Bis auf Kürbiskerne sowie Kürbiskernöle wurden in den vergangenen Jahren keine auffälligen Befunde festgestellt." Diese Information stammt vom 27. November dieses Jahres.
AGES kann nicht selbstständig Öffentlichkeit informieren
Die AGES hat nach dem Feststellen von Grenzwert-Überschreitungen bei Milchproben aus dem Görtschitztal die zuständigen Behörden informiert. Das erklärte AGES-Sprecher Roland Achatz am Donnerstag. Was die AGES laut Achatz nicht kann, ist selbst mit Warnungen an die Öffentlichkeit gehen, dafür fehlt die gesetzliche Grundlage.
Wenn Lebensmittelproben von einem Bundesland an die Agentur geschickt werden, erhält die Behörde die Ergebnisse und im Falle von Belastungen auch ein entsprechendes Gutachten. Achatz: "Wenn private Untersuchungen, etwa von einer Molkerei, bei uns in Auftrag gegeben werden, gehen die Resultate an den Auftraggeber. Wenn wir allerdings etwas finden, wie etwa HCB in der Rohmilch, wird die zuständige Behörde informiert, in diesem Falle die Lebensmittelaufsicht in Kärnten." Die AGES sei keine Behörde, daher könne sie von sich aus nicht aktiv werden. "Wir dürfen auch nicht selbst Proben ziehen", betonte Achatz.
Achatz verteidigte auch die Aussage der Agentur zum Thema HCB, wonach bei den routinemäßigen Untersuchungen in den vergangenen Jahren keine auffälligen Befunde festgestellt worden seien. Es handle sich dabei um die Bewertung der regelmäßigen Untersuchungen, die Kärntner Milch- und Milchprodukte seien hingegen sogenannte Verdachtsproben gewesen.
Greenpeace ist erschüttert
"Erschüttert" zeigte sich Greenpeace darüber, dass die AGES die HCB-Grenzwertüberschreitungen in Milchprodukten festgestellt, aber nicht veröffentlicht habe. "Dieser Vertuschungsversuch ist inakzeptabel", so Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit in einer Aussendung. Er forderte Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) auf, sofort Untersuchungen einzuleiten, um aufzuklären, wer dafür verantwortlich sei und sofort Konsequenzen zu ziehen.
Kritik kam auch von Wolfgang Pirklhuber von den Grünen. Es sei unverständlich, warum der entsprechende Notfallplan nach Feststellung der erhöhten HCB-Werte nicht sofort aktiviert worden sei. Die Gesundheitsministerin habe einen Notfallplan zu erstellen, der Maßnahmen enthalte, die unverzüglich durchzuführen seien, wenn eine Ware ein ernstes Risiko für die Gesundheit des Verbrauchers darstelle.
Tirol: Laut Landesregierung keine Gefahr
In Tirol stellt HCB keine Bedrohung dar. Die Wasserwirtschaftsabteilung des Landes entnehme im Auftrag des zuständigen Bundesministeriums an 240 Messstellen regelmäßig Proben, sagte der Sprecher von Landeshauptmann-Stellvertreterin Ingrid Felipe (Grüne) am Donnerstag. Seit 1998 sei bei rund 2.600 Proben nie eine Grenzwertüberschreitung festgestellt worden. (APA, 11.12.2014)