Auf die Frage, ob Vassilakous Offensive ein "unfreundlicher Akt" sei, sagt Häupl betont entspannt: "Nein, es ist mir eigentlich wurscht."

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Wien - Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ist "not amused". Die Grünen waren am Mittwoch mit ihrem Kompromissvorschlag zum Wiener Wahlrecht an die Öffentlichkeit gegangen. Seit mehr als drei Jahren wird bereits darüber verhandelt. Eine Einigung konnten SPÖ und Grüne bis dato nicht erreichen, obwohl die geplante Reform im Koalitionsabkommen steht und sich die Grünen noch vor der letzten Wahl gemeinsam mit FPÖ und ÖVP per Notariatsakt dazu verpflichtet hatten.

Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) schlug nun vor, sich "in der Mitte zu treffen" (DER STANDARD berichtete). Knackpunkt ist die Verteilung der Mandate – eine absolute Mandatsmehrheit ist für die SPÖ derzeit auch mit 45 Prozent der Stimmen ermöglicht.

Komplizierte Formel

Das wird erreicht, indem die Wahlzahl für die Verteilung der Mandate in den Wahlkreisen nach der Formel "Gültige Stimmen dividiert durch Zahl der Mandate plus 1" berechnet wird. Die Grünen wollten bisher das "plus 1" ganz gestrichen haben. Ihr jetziges Angebot bedeutet, dass die Formel auf "Zahl der Mandate plus 0,5" geändert wird.

Die Reaktion des Bürgermeisters folgte prompt. Am Rande eines Spatenstichs sammelte er Donnerstagfrüh Journalisten um sich. "Wenn man glaubt, dass man mich mit so einer Veröffentlichung unter Druck setzen kann, dann irrt man gewaltig", sagte Häupl.

Er kündigte an, am Montag den Koalitionsausschuss einzuberufen: "Wir müssen reden, wie wir weitertun." Die Zahl der Mandate plus 0,5 kommt für Häupl nicht infrage. Sein Zugeständnis sind 0,75.

Einig ist er mit den Grünen hingegen bei der Abschaffung der nicht amtsführenden Stadträte ("Ich brauche sie nicht"). Häupl verweist aber gleichzeitig darauf, dass es dafür eine Änderung der Bundesverfassung brauche.

"Eigentlich wurscht"

Wie er sich Vassilakous Aktion erkläre? "Du meine Güte, vielleicht hat sie die jüngsten Meinungsumfragen gesehen und sich gedacht, sie muss wieder einmal was in der Öffentlichkeit sagen."

Auf die Frage, ob ihre Offensive ein "unfreundlicher Akt" sei, sagte er aber betont entspannt: "Nein, es ist mir eigentlich wurscht."

Andere Prioritäten

Für den Wahltermin – regulär wird der Gemeinderat am 4. Oktober 2015 gewählt – bedeute die Diskussion "gar nichts", so Häupl: "Ich weiß eine Wahlrechtsdiskussion einzuschätzen. Das interessiert die Societa Politica. Aber wenn wir ums Eck ins nächste Wirtshaus gehen, werden die Leute bei dem Thema ziemlich blöd dreinschauen."

Seine Prioritäten möchte Häupl auf andere Themen legen. "Inhaltlich bin ich ein großer Treiber, was die Veränderung der Stadt betrifft. Aber im Wahlrecht bin ich nicht der Treiber. Wenn das Wahlrecht unverändert bleiben würde, würde ich nicht in Tränen ausbrechen."

Die Grünen wahrscheinlich schon. Noch ist ihnen aber nicht zum Weinen, sagt zumindest Klubobmann David Ellensohn. Er ist immer noch überzeugt davon, dass es zu einer Einigung kommen wird, wenngleich er Häupls Angebot "Zahl der Mandate plus 0,75" ausschlägt. "Der Vorschlag 0,5 war für uns schmerzhaft genug", sagt er zum Standard. "Wir haben ihn gemacht, um aus der verfahrenen Situation herauszukommen", erinnert er Häupl daran, dass die Hälfte von eins nun mal 0,5 und nicht 0,75 sei.

Und die Opposition? Die ist wegen der neuerlichen Verzögerungen erzürnt. "Nach jahrelangen Scheinverhandlungen ist der Umfaller der Wiener Grünen nun amtlich", so der Wiener VP-Obmann Manfred Juraczka. Wiens Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger wirft den Grünen vor, "ihre Prinzipien aus Machtkalkül zu opfern".

Noch drastischer fällt die Reaktion des Wiener FP-Chefs Heinz-Christian Strache aus, der ein Ende der Koalition fordert: "Beenden Sie dieses Trauerspiel endlich und machen Sie den Weg frei für Neuwahlen", schreibt er in einer Aussendung. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 11.12.2014)