Wien - Der scheidende Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts IHS, Christian Keuschnigg, hätte alle Gründe der Welt, um gehörig zu zetern. Wegen Geldknappheit muss das IHS sparen. Doch das Kuratorium hat Keuschniggs Reformkonzepte für das Institut Ende Oktober überraschend abgelehnt, weshalb der Tiroler Ende Dezember abtreten wird - nach gerade einmal etwas mehr als zwei Jahren an der IHS-Spitze.
Noch pikanter wird die Sache im Minibiotop der österreichischen Wirtschaftswissenschaften, weil einige von Keuschniggs eigenen Mitarbeitern ein alternatives IHS-Reformkonzept vorgelegt hatten. Der Chef wurde also ausgebootet.
Doch wer sich bei der Abschiedspressekonferenz Keuschniggs am Donnerstag in Wien eine Generalabrechnung erwartet hatte, wurde enttäuscht. Dazu ist der Ökonom viel zu höflich. Gleich mehrmals wünschte er seinen Nachfolgern alles Gute.
Launig geriet der Event aber allemal. Weniger Steuern, niedrigere Staatsausgaben, mehr Wettbewerb: Keuschnigg erneuerte seine wichtigsten Reformforderungen abermals, wie bei jedem Pressetermin in den vergangenen Jahren. Dabei drängte sich der Verdacht auf, der Ökonom werde gerade Opfer seiner eigenen Ideologie.
Denn das IHS muss sparen, weil staatliche Zuschüsse nicht mehr so sprudeln wie in der Vergangenheit. Die Beiträge der Staat Wien für das Institut sind seit 20 Jahren konstant, was inflationsbereinigt bedeutet, dass viel weniger Geld fließt. Mit privaten Aufträgen - Stichwort Wettbewerb - konnte das IHS diese Rückgänge nicht kompensieren.
Sparen beim IHS unklug
"Ein Opfer meiner Ideologie? Sie können das so sehen. Ich sehe es nicht so", sagte Keuschnigg. Ein Staat müsse sich natürlich gut überlegen, was er fördert. Beim IHS zu sparen sei aber unklug: Die Grundlagenforschung, die dort betrieben werde, sei essenziell, um Wachstum und Entwicklung anzukurbeln. Reicht aber eine Forschungseinrichtung, das Wifo, nicht aus? Nein, sagt Keuschnigg, der Wettbewerb zwischen den beiden Instituten habe die Qualität der wirtschaftspolitischen Beratung in Österreich in den vergangenen Jahren stark erhöht.
Das IHS müsste in Zukunft aber seine Ressourcen gezielter im Forschungsbereich Ökonomie bündeln. Man hätte zum Beispiel ein aus eigener Tasche finanziertes Konzept für eine Steuerreform vorlegen sollen, um damit die Diskussion zu beleben. "Aber solche Dinge gehen nur, wenn man Finanzmittel an einer Stelle konzentriert und an anderen spart". Mehr Ökonomie am IHS, dafür keine Soziologie und Politikwissenschaft: Genau das schlug Keuschnigg dem Kuratorium vergeblich vor.
Zum Abschluss hatte der Tiroler noch eine Forderung an SPÖ und ÖVP parat. Im Zuge der Steuerreform würde es sinnvoll sein, die reduzierten Mehrwertsteuersätze (etwa für Bücher, Beherbergung, Arzneimittel, Nahrung und Theaterkarten) weitgehend abzuschaffen.
Die Begünstigungen verursachen große Einnahmeausfälle, sie würden das Steuersystem unnötig kompliziert machen. Ob er nicht ein mulmiges Gefühl habe, die Konsumsteuer anzuheben, zumindest solange nicht eine Vermögenssteuer in Österreich eingeführt werde - weil ja sonst Babynahrung teurer würde, nicht aber der Ferrari? Man müsste für die unteren Einkommenssichten natürlich einen Ausgleich schaffen, antwortete Keuschnigg, etwa über Steuergutschriften. Eine Mehrwertsteuer habe aber keine Umverteilungswirkung. Im Fall des Falles brauche ja auch der Ferrari-Fahrer Babynahrung. (szi, DER STANDARD; 12.12.2014)