Violetta (Ermonela Jaho) und ihr Geliebter Alfredo (Saimir Pirgu).

Foto: Michael Pöhn

Vier Tage vor Weihnachten wird der südkoreanische Dirigent und Pianist Myung-whun Chung die von Franz Welser-Möst zurückgelegte Rigoletto-Premiere leiten, und weil der Südkoreaner eh schon zu den Proben dafür im Hause ist, hat er sich bereiterklärt, auch die ebenfalls mit dem flüchtigen Generalmusikdirektor geplante Traviata-Serie zu leiten.

Das ist wundervoll, denn so oft hat man Chung, der auch schon Musikdirektor der Pariser Opéra Bastille war, in Wien nicht Oper dirigieren gehört: lediglich im Frühjahr 2011, als er an der Staatsoper ebenfalls Giuseppe Verdi dirigiert hat, den Simon Boccanegra. Myung-whun Chung war Anfang der 1980er-Jahre Assistent von Carlo Maria Giulini, er hat viel in Florenz und in Rom dirigiert: Verdi hat er im kleinen Finger.

Und der 61-Jährige, 1953 in Seoul geboren, erinnert in seiner Ausstrahlung und seiner Zeichensprache an einen großen italienischen Dirigenten: an Claudio Abbado. Es geht eine balsamische Ruhe von Myung-whun Chung aus, alle Kraftmeierei ist ihm wesensfremd, er dirigiert mit entspannter Effizienz, mit Übersicht und, so scheint es, mit der Weisheit eines Philosophen.

Mit samtweichen, fließenden Bewegungen leitete er am Montagnachmittag das himmelszarte Vorspiel zur Traviata, gemächlich und innig, doch nie schwülstig. Natürlich kann er, wie im 3. Akt, auch ordentlich Schmiss in die Sache bringen.

Myung-whun Chung hat Glück, denn er darf die Traviata mit zwei herausragenden Sängern machen. Ermonela Jaho ist eine der virtuosesten, nuanciertesten, packendsten Interpretinnen der Violetta Valéry. Eine Sängerin muss für diese Monsterpartie so ziemlich alles können - Jaho kann alles und mehr.

Weltklasse ist auch Saimir Pirgu als Alfredo, mit einem unerhört geschmeidigen Tenor, der runtergeht wie Öl und den er äußerst differenziert einzusetzen versteht. Vitalyi Bilyy ist ein solider Giorgo Germont und das Staatsopernorchester zeigt sich traumwandlerisch sicher.

Nur die Inszenierung von Jean-François Sivadier ist furchtbar. Jubel. (end, DER STANDARD, 12.12.2014)