Das Wietersdorfer Zementwerk sollte giftigen Blaukalk entsorgen, "sauberen" durften Bauern holen.

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Noch ist unklar, wie viele Bauern Blaukalk abgeholt haben.

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Klagenfurt/Klein St. Paul - Bauern im Görtschitztal hatten jahrelang gratis Zugang zu einer Deponie der Donau Chemie in Brückl, um dort Blaukalk als Düngermittel für die bekannt sauren Böden im Tal abholen zu können. Das bestätigte nun der für die Umweltkrise vom Land eingesetzte Landeskoordinator, Albert Kreiner dem STANDARD. Man musste sich lediglich "einen Schlüssel holen und sich in einer Liste eintragen", erzählt Kreiner.

Natürlich glaubten die Landwirte, sie würden nicht mit Hexachlorbenzol (HCB) kontaminierten Blaukalk "entsorgen". Der kontaminierte lagerte laut Kreiner auf einer anderen "eingezäunten" Deponie auf dem Firmenareal. Doch extrem hohe Werte, die teilweise gemessen wurden, könnten damit erklärt werden, dass Bauern ohne ihr Wissen auch kontaminierten Blaukalk entsorgten. Die Behörden prüfen das nun jedenfalls.

Untersuchungen laufen

Böden und auch Ställe, die manche Bauern ebenfalls mit dem Gratismaterial bis zu zweimal im Jahr - aus Hygienegründen - kalkten, werden nun untersucht. Bei den Ställen nimmt man Proben aus dem Verputz. "Wie viele Bauern Blaukalk abgeholt haben, darüber habe ich noch keine Info", so Kreiner, "wir haben auch zwei Tage lang Proben auf dem Areal der Donau Chemie gezogen." Ergebnisse, die den gravierenden Verdacht erhärten könnten, gebe es frühestens nächste Woche.

Die Chemiefabrik ist nur wenige Kilometer vom Wietersdorfer Zementwerk entfernt. Hier soll mit HCB kontaminierter Blaukalk mit zu geringen Temperaturen verbrannt worden sein, wodurch krebserregendes HCB in die Luft geblasen wurde - die Staatsanwaltschaft ermittelt wie berichtet.

Millionen für Entsorgung

Das Zementwerk bekam Millionen für die Entsorgung des kontaminierten Blaukalks der Donau Chemie. Bei Temperaturen um die 1000 Grad hätte das HCB unschädlich gemacht werden können. "In diesem Fall ist die Entsorgung ja grundvernünftig", betont Landeskoordinator Kreiner.

Er schließt nicht aus, dass man aber aus Kostengründen mit niedrigeren Temperaturen verbrannt hat. "Wirtschaftlich, zur Gewinnmaximierung wäre das logisch", so Kreiner, "und an jener Stelle, wo die Temperaturen im Zementwerk hoch genug waren, bekommt man nur zwei bis drei Tonnen in der Stunde hinein, an einer anderen Stelle aber sieben Tonnen pro Stunde."

Emissionen 8000-fach höher

Greenpeace legte am Donnerstag Rechercheergebnisse vor, wonach die HCB-Emissionen bei der Blaukalkverwertung im Kärntner Zementwerk "8000-fach höher als im Normalbetrieb der Sondermüllverbrennungsanlage Österreichs in Wien-Simmering" gewesen sein sollen.

SPÖ-Hilmar Loitsch, Bürgermeister von Klein St. Paul, wo die Kleinmolkerei Sonnenalm wegen des Umweltskandals geschlos-sen werden musste, sagte dem STANDARD, er selbst habe die Version mit dem Blaukalk als Düngemittel "nicht gehört", wisse aber, dass die Böden nun auf den Verdacht hin geprüft werden. In Klein St. Paul fanden Donnerstag ärztliche Vorgespräche für die geplanten Blutabnahmen in der Bevölkerung statt. Dabei sollen laut Loitsch "Personengruppen herausgefiltert werden, die eventuell kommende Woche einer Blutkontrolle zugeführt werden".

Ages bereits im März informiert

Für Aufregung sorgte Donnerstag die Meldung, dass die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) bereits im März deutliche Grenzwertüberschreitungen in Milchprodukten aus dem Görtschitztal feststellte. Publik wurde das aber nicht. Laut APA waren Molkerei, Landwirtschaftskammer und Agrarabteilung im Land informiert. Die Kleine Zeitung berichtet, dass im Herbst 2013 der Babynahrungserzeuger Hipp einen Auftrag über Rindfleisch aus dem Görtschitztal storniert habe, weil dort HCB- und Schwermetallbelastung gemessen worden sei.

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) hat am Freitag im Ö1-Morgenjournal versprochen, die Untersuchungskette in Grenzfällen wie bei HCB zu überdenken. Es gebe eine Bandbreite von "Auffälligkeit" bis "Gesundheitsgefährdung", gesetzlich sei alles in Ordnung gewesen, man sei aber "klüger" geworden. Er habe im November angeordnet, dass bei künftigen Messungen bessere, klarere und schnellere Informationen auch an politisch Verantwortliche sicher gestellt seien. (Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 12.12.2014)