Jährlich 1,8 Millionen neue Erkrankungsfälle und 1,6 Millionen Todesopfer weltweit machen das Lungenkarzinom zum größten einzelnen "Killer" unter den Krebserkrankungen. Drei Viertel der Diagnosen werden erst im fortgeschrittenen und unheilbaren Stadium gestellt. Neue medikamentöse Therapieformen können trotzdem helfen..
Anlass für die vom deutschen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim an seinem Onkologie-Forschungszentrum in Wien organisierte Veranstaltung war die vor kurzem in der EU erfolgte Zulassung des ersten neuen Therapieprinzips bei fortgeschrittener Lungenkarzinomerkrankung und dem Fehlschlagen der ersten medikamentösen Behandlung. Es handelt sich dabei um eine Substanz, die speziell bei sogenannten Adenokarzinomen eine gute Wirkung zeigt.
Adenokarzinome im Fokus
"85 Prozent der Lungenkarzinome gehören zu den nicht-kleinzelligen Lungenkarzinomen. Adenokarzinome sind darunter wiederum mit 40 bis 50 Prozent die häufigsten", sagte Anders Mellemgaard von der Universitätsklinik in Kopenhagen. Für Patienten mit kurativ nicht operablem Lungenkarzinom stellt die medikamentöse Therapie die einzige Chance auf ein längeres Überleben dar.
Doch die vorhandenen Arzneimittel haben nur einen beschränkten Effekt. Der Onkologe: "Nach sechs bis sieben Monaten versagt die sogenannte Erst-Linien-Therapie. Danach gab es für die Patienten bisher nur noch drei verwendbare Arzneimittel." In den vergangenen etwa zehn Jahren wurde für diese Kranken mit dringendstem Bedarf an neuen Behandlungsmöglichkeiten kein echter Fortschritt erzielt.
Auch zum Teil in Wien entwickelt wurde schließlich die oral einzunehmende Substanz Nintedanib. Es handelt sich um ein in den Zellen wirkendes Arzneimittel, das die Signalübertragung der Rezeptoren von Wachstumsfaktoren für neue Blutgefäße (VEGF, PDGF und FGF) hemmt.
Eines nach dem anderen
Ab einer bestimmten Größe sind Karzinome auf das schnelle Wachstum von Blutgefäßen zur Sauerstoffversorgung angewiesen. Die Hemmung dieser Angiogenese ist ein mit monoklonalen Antikörpern bereits seit längerem verfolgtes Wirkprinzip. Synthetisch hergestellte kleine Moleküle, die in schluckbare Medikamente verpackt werden können, sind hier eine zusätzliche Entwicklung.
In einer klinischen Studie wurde mit Nintedanib ein guter Erfolg erzielt: Bei einer Untersuchung an 1.314 Patienten mit nicht-kleinzelligem Adenokarzinom der Lunge und nach Fehlschlägen der ersten medikamentösen Therapie bekam etwa die Hälfte der Probanden das seit langem verwendete Docetaxel und den neuen Wirkstoff oder Docetaxel und ein Placebo.
Nach zwölf Monaten lebten noch 52,7 Prozent der Probanden mit der echten Arzneimittelkombination, in der Vergleichsgruppe noch 44,7 Prozent (nach 24 Monaten: 25,7 bzw. 19,1 Prozent). Die durchschnittliche Überlebensdauer stieg von 10,3 auf 12,6 Monate. Das war statistisch signifikant. Bei einem Anteil von nur 25 bis 30 Prozent von Patienten mit einem nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom, die einer potenziell kurativen Operation unterzogen werden können, stellen solche Effekte einen Fortschritt dar.
Im vergangenen Jahr hat der deutsche Konzern mit Afatinib ein ebenfalls bei Lungenkarzinomen verwendetes neues Arzneimittel als Hemmstoff für die epidermale Wachstumsfaktoren in den Markt eingeführt. Es wirkt speziell bei Patienten mit bestimmten Mutationen in den Tumorzellen.
Die Therapie der Zukunft
Die Forschung geht weiter: Etwa um die Jahrtausendwende identifizierten Wissenschafter am von Boehringer Ingelheim finanzierten Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien die Polo-like-Kinase, ein Enzym, als wichtigen Faktor für die Zellteilung.
Ein auf der Basis dieser Erkenntnisse entwickelter Wirkstoff (Volasertib) wird derzeit bei Patienten mit Akuter Myeloischer Leukämie (AML) im Alter über 65 Jahren untersucht, die keine hoch dosierte Chemotherapie vertragen. (APA, derStandard.at, 12.12.2014)