US-Politologe Dan Hamilton zu TTIP: "Die USA sind Europas Verbündeter bei der Durchsetzung dieser Standards."

Foto: US-Botschaft, Wien

Wien - Die Gegner von TTIP befürchten durch das EU-Freihandelsabkommen mit den USA einen Abbau der hohen Sozial-, Umwelt- und Gesundheitsstandards in Europa. Dabei biete TTIP die beste Chance, diese Standards auf der internationalen Ebene zu verteidigen und zu stärken, sagt der US-Politologe Dan Hamilton im STANDARD-Gespräch. Denn die europäischen und amerikanischen Standards seien im Grunde sehr ähnlich, vor allem im Vergleich zu China und anderen Schwellenländern.

"Die Gefahr der Erosion dieser Standards kommt von außen", sagt Hamilton. "Die USA sind Europas Verbündeter bei der Durchsetzung dieser Standards. TTIP ist daher vor allem von geopolitischer Bedeutung."

Hamilton war während der Clinton-Präsidentschaft für transatlantische Beziehungen im US-Außenministerium zuständig; er unterrichtet mit Unterstützung der österreichischen Marshallplan-Stiftung internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University (SAIS) in Washington und sprach am Donnerstagabend im Amerika-Haus in Wien.

Gegenseitige Anerkennung

Anders als klassische Freihandelsabkommen werde ein TTIP-Vertrag keine Liste von Waren beinhalten, die zollfrei eingeführt werden dürfen, sagt Hamilton. Vielmehr gehe es um ein Verfahren der gegenseitigen Anerkennung von Qualitäts- und Sicherheitsprüfungen durch amerikanische und europäische Behörden. Bestehende EU-Regulierungen und Verbote, einschließlich der Beschränkung für Gentechnik-Produkte, würden nicht angetastet werden.

Derzeit müssten amerikanische und europäische Konzerne alle Bewilligungen zweimal einholen und oft sehr kleine Unterschiede berücksichtigen. Hamilton erzählt von BMW, das sein weltweit größtes Werk in Spartanburg (North Carolina) betreibt. Für in den USA registrierte Autos müssten die Stoßdämpfer etwas anders aussehen in Europa. "Europäische Stoßdämpfer werden dort nicht zugelassen, daher muss BMW alles doppelt machen", sagt Hamilton; das verursache unnötige Kosten.

In manchen Bereichen seien die Europäer strenger, aber in anderen die USA, etwa beim Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht. Insgesamt aber könne man davon ausgehen, dass die Behörden auf beiden Seiten des Atlantiks für die Sicherheit ihrer Bürger sorgten.

Mehr in Österreich investiert als in BRICs

Die wichtigsten wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den USA und Europa finden sind nicht im Handel, sondern bei Direktinvestitionen. Der Großteil des Warenaustauschs finde innerhalb von Konzernen statt. Und die USA hätten im kleinen Österreich über die Jahre genauso viel investiert wie in allen BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) zusammen – in Belgien sogar viermal so viel.

Die im TTIP besonders umstrittene Investitionsschutzklausel mit ihren Schiedsgerichten hält Hamilton zwar für nützlich – schließlich hätten die Europäer Tausende solcher Abkommen weltweit geschlossen –, aber letztlich auch für verzichtbar. "Daran soll das Abkommen nicht scheitern", sagt er.

Allerdings wäre es gerade für europäische Konzerne sinnvoll, bei Rechtsstreitigkeiten mit US-Behörden nicht mit einer "Jury in Alabama" konfrontiert zu sein. (Eric Frey, derStandard.at, 12.12.2014)