Berlin - Es wird einer der historischen Augenblicke im Fernsehen sein, wenn Markus Lanz am Samstag zum letzten Mal die große "Wetten, dass..?"-Bühne betritt. Noch einmal lässt er seine Kandidaten antreten. Zum letzten Mal bittet er seine prominenten Gäste darum, bei den Wetten die Daumen nach oben und nach unten zu richten. Und um voraussichtlich 22.45 Uhr dürfte dann endgültig Schluss sein.

Mit "Wetten, dass..?" verabschiedet sich am Samstag (20.15 Uhr auf ORF eins) nach fast 34 Jahren eine der prominentesten Fernsehshows endgültig von den Bildschirmen. Zu den Gästen in Nürnberg werden nicht, wie ursprünglich einmal geplant, die ehemaligen Moderatoren gehören.

Schatten von einst

Showerfinder Frank Elstner (72), der das einstige Flaggschiff 1981 aus der Taufe hob, verzichtet auf seine Präsenz ebenso wie Thomas Gottschalk (64), mit dem die Sendung ihre besten Zeiten erlebte und der vor exakt drei Jahren abtrat. Auch Wolfgang Lippert, kurzzeitig 1992 und 1993 dabei, kommt nicht.

Die Sendung ist allerdings heute nur noch ein Schatten von einst, dafür ist sie mit mehr als zwei Millionen Euro pro Ausgabe noch genauso teuer. Die Quoten sind - jedenfalls in Deutschland - dramatisch gesunken. Gottschalks Abtritt vor drei Jahren interessierte noch fast 15 Millionen Zuschauer, auch den Start von Nachfolger Lanz sahen im Oktober 2012 noch 13,6 Millionen Neugierige. Danach begann der dramatische Verfall mit zuletzt 5,5 Millionen.

Weit entfernt vom Millionenpublikum

In Österreich lockte die letzte "Wetten, dass..?"-Ausgabe mit Gottschalk durchschnittlich 1,082 Mio. Zuschauer vor die Bildschirme, Anfang Oktober beim Erfurt-Gastspiel waren es nur noch 382.000 Personen. Ein Aufbäumen stellte hingegen der Österreich-Abschied dar: Den Besuch von Lanz in Graz vor knapp einem Monat ließen sich immerhin 826.000 Zuschauer im ORF nicht entgehen.

ZDF-Programmdirektor Norbert Himmler erklärt die mangelnde Zugkraft mit dem Verlust an "Alleinstellungsmerkmalen". "Keine Frage, 'Wetten, dass..?' ist ein prägender Teil unserer Fernsehgeschichte, aber in den letzten Jahren hat sich doch einiges sehr nachhaltig verändert", sagte Himmler der Nachrichtenagentur dpa. "Hollywoodstars brachte früher nur 'Wetten, dass..?' in die Wohnzimmer." Das hat sich radikal geändert. Und auch "besondere Talente gibt es beim 'Supertalent' am Fließband zu sehen", so Himmler.

Samuel Kochs Sturz

Möglicherweise haben auch die Negativ-Ereignisse rund um die Show, die sie wie ein Schatten einhüllten, dem Klassiker auch nachhaltig geschadet. Unvergessen ist der tragische Unfall des jungen Wettkandidaten Samuel Koch, der im Dezember 2010 beim Versuch, mit Sprungfedern über Autos zu hüpfen, so schwer stürzte, dass er für immer gelähmt blieb.

Ständiger Schleichwerbeverdacht

Der ständige Schleichwerbeverdacht in Verbindung mit der bei "Wetten, dass..?" eingebundenen Firma dolce media von Gottschalks Bruder Christoph hinterließ einen Nachgeschmack. Und mehr als ein Verdacht: Österreichs Medienbehörde gab der Sendung schon amtlich, dass ein Auto-Placement gegen die Werberegleln des ORF-Gesetzes verstoßen hat.

Lagerfeuer aus

Dass das Ende von "Wetten, dass..?" nach 215 Ausgaben ein Einschnitt von gesellschaftlicher Bedeutung ist, ergibt sich aus der Haltung prominenter Wegbegleiter: "'Wetten, dass..?' hat über viele Jahre von der Oma bis zum Enkel die ganze Familie vor dem Fernseher versammelt und über die Sendung wurde am nächsten Tag fast überall geredet", sagte Moderator Günther Jauch der dpa. "Das bleibt ein großes Verdienst - heute schaffen diesen 'Lagerfeuereffekt' oft nur noch große Sportereignisse."

Beerdigung im kleinen Kreis

Vergleichsweise zurückhaltend äußert sich Thomas Gottschalk, der die Sendung von 1987 bis 2011 mit einer kurzen Unterbrechung präsentierte: "Mit dem ZDF habe ich vereinbart, dass ich mich zum Ende von 'Wetten, dass..?' nicht äußere und finde eine Beerdigung im kleinen Kreis auch angemessener als ein Staatsbegräbnis."

Zeugen des "Begräbnisses" sind am Samstag unter anderem die ARD-"Tatort"-Kommissare Til Schweiger, Wotan Wilke Möhring und Jan Josef Liefers sowie die Komiker Michael "Bully" Herbig und Otto Waalkes und Hollywood-Schauspieler Ben Stiller, die bei Lanz auf der Couch Platz nehmen werden. Als österreichischer Beitrag gibt sich Ex-Skistar Hermann Maier die Ehre.

ZDF spielt ohne ORF

Was auf "Wetten, dass..?" folgt, steht derzeit noch in den Sternen. Beim ZDF richtet man den Blick jedenfalls schon nach vorne. "Es wird nicht das eine Nachfolgeformat geben", so Programmdirektor Himmler. "Wir werden im Frühjahr die ersten neuen Shows auf den Schirm bringen." Unter anderem gehören dazu die neue Game-Show "Tausend", eine gemeinschaftliche Entwicklung mit der britischen Rundfunkgesellschaft BBC, und "Das Spiel beginnt!" mit Johannes B. Kerner. Der ORF will da nach erster Auskunft nicht mitspielen.

Außerdem argumentiert das ZDF: Die "Udo Jürgens Gala" im Oktober sei "eine emotionale, mitreißende und top-besetzte Musik-Show" gewesen. Diese Form zeitgemäßer "Tribute"-Shows werde man fortführen. Auch die länderübergreifende Zusammenarbeit wird weiterhin intensiv diskutiert, wie der ORF mitteilte.

Derzeit stünden verschiedene Konzepte zur Disposition, die man gemeinsam diskutiere, bewerte und weiter entwickle. Ziel sei, nach "Wetten, dass..?" eine "lebendige und langfristige Zusammenarbeit der drei Sender aufrecht zu erhalten und unserem Publikum moderne, vielseitige und spannende Unterhaltung zu bieten". Dementsprechend baue die Bandbreite der Überlegungen "auf verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten und Genres von Shows auf". (APA, 12.12.2014)