Wenn junge Zebrafische ein Beuteobjekt sehen, werden die entsprechenden Informationen an Nervenzellen (hellblau) in der AF7-Hirnregion weitergeleitet.

Foto: MPI f. Neurobiologie/ Semmelhack

München - Wie und wo das Gehirn äußere Sinneseindrücke in Verhaltensantworten umwandelt, ist größtenteils noch ungeklärt. Nun aber konnten Wissenschafter des Max-Planck-Instituts für Neurobiologie in Martinsried bei München wichtige Puzzelstücke für dieses Rätsel beisteuern. Die Forscher entdeckten bei jungen Zebrafischen Schaltkreis-Stationen, die beim Beutefangverhalten eine wesentliche Rolle spielen.

Für Tiere ist die Koordination von visuellen Eindrücken und eigenen Bewegungen überlebenswichtig: Nur so können sie Beute erkennen, verfolgen und fangen. Bei vielen Tieren ist das grundlegende Beutefangverhalten daher angeboren. Wie und wo das Gehirn ein Objekt erkennt, klassifiziert und die entsprechenden Bewegungsmuster einleitet, war bislang ungeklärt.

Aufleuchtende Fischgehirne

Zebrafischlarven können bereits direkt nach ihrem Schlüpfen kleine Einzeller wie Pantoffeltierchen jagen. Das Gehirn der Fischchen ist in der Lage die Einzeller als Ziel zu erkennen, die Entfernung zu berechnen und den Körper mit charakteristischen Schwanzbewegungen zu seiner Beute zu lenken. Dieses angeborene Beutefangverhalten kann im Labor auch durch kleine, sich bewegende Punkte ausgelöst werden.

So können Wissenschafter potentielle "Beute" auf einem Miniaturbildschirm präsentieren und die darauf folgenden Vorgänge im Fischgehirn untersuchen – denn Zebrafischlarven sind fast durchsichtig. Durch genetische Modifikationen leuchten im transparenten Gehirn der Fische die Nervenzellen auf, die gerade aktiv sind. Vorgänge im Fischgehirn können so durch ein Mikroskop beobachtet werden, während die Tiere Beute erkennen, klassifizieren und auf sie zuschwimmen.

Um die neuronalen Schaltkreise des Beutefangverhaltens zu verstehen, konzentrierten sich die Neurobiologen zunächst auf das Erkennen von Beuteobjekten. "Als erstes haben wir uns die Verbindungen der Netzhaut mit dem Gehirn angesehen", beschreibt Julia Semmelhack ihre Arbeit. Nervenzellen der Zebrafischnetzhaut münden in zehn sogenannten AF-Regionen im Gehirn. Welche Aufgabe diese Regionen haben, ist jedoch weitgehend unbekannt. Nun konnten die Martinsrieder Wissenschafter zeigen, dass die Nervenzellen in einer dieser zehn AF-Regionen immer dann aktiv wurden, wenn die gezeigten Punkte in das optimale Beuteschema der Fische passten. Größere oder kleinere Punkte hatten keinen Effekt. Nur bei virtuellen Punkten in der "richtigen" Größe (und bei echten Pantoffeltierchen) leuchtete die AF7 Hirnregion auf.

Augennetzhaut als Beutefilter

Die weiteren Untersuchungen zeigten, dass bereits die Nervenzellen der Netzhaut potentielle Beuteobjekte aus der Umgebung herausfiltern. Nur wenn ein Punkt "passt", wird die Information an die AF7-Region weitergegeben. Von dort wird dann der Jagdimpuls in andere Sehregionen und in die bewegungssteuernden Areale weitergeleitet. Als die Wissenschafter die AF7-Verbindungen kappten, reagierten die Fische nur noch sehr eingeschränkt auf Beutepunkte.

Die AF7-Region ist somit essentiell, um visuelle Reize als Beute einzuordnen und ein entsprechendes Jagdverhalten auszulösen. "Wir haben gezeigt, wie ein optischer Eindruck von der Netzhaut über die AF7-Region zu einem bestimmten Verhalten führt", meint Herwig Baier, der mit seiner Abteilung am Max-Planck-Institut für Neurobiologie untersucht, wie Sinneseindrücke vom Gehirn in Verhaltensantworten umgewandelt werden. Ein erster, großer Schritt ist gemacht. Als nächstes wollen die Neurobiologen herausfinden, wie die Informationen der AF7-Region in die verschiedenen Schwimmbewegungen übersetzt werden. (red, derStandard.at, 21.12.2014)