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Peter Schröcksnadel spielt die erste Geige im heimischen Sport. Der ÖSV-Präsident sitzt in den meisten jener Gremien, die den - auch im Vergleich zu 2002 - sehr großen Kuchen an Fördergeldern verteilen.

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40 Millionen Euro wurde in die Renovierung des Wiener Happel-Stadions investiert, die Chance auf eine adäquate Fußball-Arena für ein aufstrebendes Nationalteam vertan.

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Das EM-Stadion von Klagenfurt: 92 Millionen Euro dürften Bau und Fertigstellung gekostet haben. Fußball gespielt wird dort kaum.

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Eine wahnwitzige, den Steuerzahler verhöhnende Idee, die schon vorzubringen ein Schildbürgerstreich allererster Güte und deren Umsetzung ein Skandal sondergleichen war. Den Bau des Fußballstadions zu Klagenfurt so zu klassifizieren, dafür braucht es keinen Untersuchungsausschuss. Der Ausschuss, der da in Sachen Hypo freilich kommen wird, könnte allerdings gut und gerne noch einiges mehr ans Tageslicht fördern. Schließlich wurden in Kärnten Banken- und Fußball-Belange nach Lust und Laune verknüpft - nicht zuletzt, aber auch nicht allein durch Landeshauptmann Jörg Haider.

Das Stadion, entgegen ersten Plänen nicht rückgebaut, war heuer im Sommer endausgebaut - sechs Jahre nach der EURO 2008. 92 Millionen Euro dürften Bau und Fertigstellung gekostet haben, ursprünglich waren 66,5 Millionen Euro veranschlagt worden. Nachnutzung spielt es kaum, ab und zu findet ein Ländermatch in Klagenfurt statt, und am 3. Jänner gastieren der KAC und Villach zum Eishockeymatch im Fußballstadion. Die Kosten für Betrieb und Erhaltung der Wörthersee Arena liegen jährlich bei zwei Millionen Euro, bestenfalls die Hälfte lässt sich durch Events einspielen, für die andere Million steht die Stadt Klagenfurt gerade.

Wegen sage und schreibe dreier EM-Vorrundenspiele liegt Österreichs schönstes Stadion also in einer ballesterischen Einöde, wo es niemand braucht. Das übertrifft fast noch den zweiten Treppenwitz, den die EURO 2008 mit sich gebracht hat. Statt die Jahrtausendchance der EM zu nutzen und ein neues Stadion hinzustellen, wie das jede andere Großstadt in Europa getan hätte, hat Wien das fast achtzig Jahre alte, oft renovierte Stadion im Prater - erraten! - ein weiteres Mal renoviert. Kostenpunkt, auch das muss man sich erst einmal einteilen, circa 40 Millionen Euro.

Dazu passt, dass die "Sportstadt Wien" für die Stadien von Austria und Rapid weitere 50 Millionen lockergemacht hat. Kaum zu glauben, dass Rapid die in diesem Land nötige Kraft aufgebracht hat, mit Hilfe dieser Subvention den Bau eines neuen Stadions auf den Weg zu bringen.

Viele Verbrechen

Verbrechen an der heimischen Infrastruktur finden sich in sehr vielen Sportarten und in jedem Bundesland. . Die meisten Eishockeyhallen in Österreich befinden sich in einem katastrophalen Zustand, die angeblich schönste und jedenfalls modernste Halle, jene in Wien-Kagran, ist in Wahrheit ein Kompromiss, den Vienna-Capitals-Präsident Hans Schmid eingehen musste, dem eine moderne Mehrzweckhalle lieber gewesen wäre. Handballer, Volleyballer, Basketballer, fast alle beklagen traurige Trainings- und Matchbedingungen – allein in Graz, wo eine Mehrzweckhalle gebaut wird, ist Land in Sicht.

Die olympischen Kernsportarten Schwimmen und Leichtathletik siechen infrastrukturell dahin. Dabei wären funktionierende, moderne Anlagen die Basis für Erfolge, Zuseherinteresse und gute Nachwuchsarbeit. Löbliche Ausnahmen sind selten, der Segelsport etwa hat seine vielen Erfolge dazu genutzt, ein Bundesleistungszentrum in Neusiedl am See durchzusetzen.

Ein Wanderpokal

Sportminister Gerald Klug ist froh darüber, dass im Regierungsprogramm die "Strategie 2018" festgehalten wurde. Eine Arbeitsgruppe nimmt sich bald des Themas Sportinfrastruktur an. Freilich sind im Sport viele Arbeitsgruppen gekommen und gegangen. Seit jeher springt der Sport zwischen den Ministerien nur so hin und her. Quasi als Wanderpokal war er seit 1945 in acht verschiedenen Ressorts angesiedelt. Jüngste Stationen: Unterrichtsministerium, Gesundheitsministerium, Bundeskanzleramt, Verteidigungsministerium.

Wintersportverbänden, allen voran dem ÖSV, fällt es leichter, Großevents ins Land zu holen - die Konkurrenz ist auch diesbezüglich viel geringer. Großevents bringen mit sich, dass die öffentliche Hand investiert. So fließen in die Biathlon-WM 2017 (Hochfilzen) 15 Mio. Euro, davon sechs in die Infrastruktur. Gefördert werden auch Skiflug-WM 2016 (Kulm), Bob-WM 2016, Rodel-WM 2017 (beide Igls) und nordische Ski-WM 2019 (Seefeld).

Es geht um viel Geld

Peter Schröcksnadel, ÖSV-Präsident und Chef des Winters, hat also einen unschätzbaren Startvorteil. Wegen vieler ÖSV-Erfolge und trotz etlicher ÖSV-Dopingskandale ist er nun, da Österreich in London 2012 ohne Medaille blieb, auch für die Verteilung von Fördergeldern im Sommer zuständig. Schröcksnadel sitzt dem "Projekt Rio 2016" vor und in der Bundessportkonferenz, das sind zwei wesentliche Fördermittelverteiler. Es geht um viel Geld, seit 2011 lukriert der Sport jährlich 80 Millionen Euro an Bundesmitteln aus Einnahmen der Lotterien.

Drei bis fünf Medaillen erwartet Schröcksnadel bei den Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Auf die Frage, ob er vom Sommersport eine Ahnung habe, sagte er: "Ich habe Fußball gespielt, und meine Enkerln machen Judo." Vielen Funktionären ist Schröcksnadels Allmacht ein Dorn im Auge, viele sehen Österreichs Sport im Würgegriff des Winters und wundern sich darüber, dass Sportarten wie Fußball und Ski, die sich etwa in Deutschland großteils selbst erhalten, überhaupt öffentlich subventioniert werden. Namentlich genannt will niemand werden. "Wenn du das angreifst", sagt einer, "kannst du gleich die Staatsbürgerschaft abgeben."

Stadthalle als Entschuldigung

Ob Schröcksnadel den Sommer rettet? Nicht nur Klimaforscher bezweifeln, dass im Sommer der Winter einkehrt. Großevents in Sommersportarten kann sich Österreich aufzeichnen, weil die Infrastruktur fehlt. Die Handball-EM_2010, die es gespielt hat, spielte es in der Wiener Stadthalle, die ist zwar auch nicht modern, aber groß genug und dient somit als Begründung bis Entschuldigung dafür, dass Wien keine moderne Mehrzweckhalle errichtet. Ohne Großevents wird kaum in Infrastruktur investiert. Und die Fußball-EM 2008? Ach ja, das hatten wir schon. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 16.12.2014)