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Mode für eine geschlossene Gesellschaft: Am Stadtrand Wiens wächst ein neues Geschäftskonzept heran.

Foto: DPA/Frank Leonhardt

Wien - Ein schlichtes Schild weist den Weg. Das Exterieur versprüht den spröden Charme einer Fabrik. Keine Auslage, keine Plakate, keine Werbung. Drinnen soll sich auf 5000 Quadratmetern günstige Designermode in stilvollem Ambiente stapeln. Wie verlockend. Allein, man darf nicht rein. Den Schlüssel ins vermeintliche Shopping-Paradies haben nämlich nur Auserwählte - erkennbar an limitierten Clubmitgliedskarten. Wer eine will, muss sich auf überfüllte Wartelisten setzen lassen oder wie bei den Freimaurern auf einen Leumund hoffen. Nach rigoroser Auslese heißt es Stillschweigen bewahren. Wer zu offen über Preise und Marken plaudert, riskiert hohe Pönalen. Willkommen in der Welt von Schustermann & Borenstein.

In München würden Menschen gar morden, um an Clubkarten zu kommen, sagt Irene Kiefer, die im deutschen Traditionsbetrieb Vertrieb und Kommunikation verantwortet, dem Standard. Die Zahl an Wartenden auf der Liste übersteige jene der registrierten Kunden um das Fünffache. Gewalt will in der Handelsbranche natürlich keiner. Also wird expandiert.

Schustermann & Borenstein eröffnete nach zwei Münchner Niederlassungen jüngst eine Filiale in Vösendorf am Stadtrand Wiens - gemäß der Firmenphilosophie abseits großer Einzelhandelskonglomerationen. VIPs dürfen als Werbebotschafter dienen, ansonsten dominiert Mundpropaganda. Die Warteliste freilich, muss Kiefer Einkaufswillige vertrösten, sei bereits lang. "Wir sind bei der Vergabe daher sehr vorsichtig."

Exklusivität und Verknappung

Für Andreas Kreutzer, Chef des Marktforschers Kreutzer Fischer & Partner, ist die Zielgruppe offensichtlich: Leute, die gerne ein bisserl zur Prominenz gehören wollen. Dass Marken und Preise so exklusiv sind, wie der Zugang zu ihnen, bezweifelt er. Zumal es für den finanziellen Mittelbau ja auch nicht zu kostspielig sein dürfe.

Exklusivität und Verknappung: Das sind, bestätigt Wolfgang Richter, Chef des Marktberaters Regioplan, alte Marketingmechanismen und "Zutaten für gute Kuchen".

Dass die ganze Geheimnistuerei und Zugangsbeschränkung klares Geschäftskalkül sind, weist Kiefer zurück. "Das dichtet uns die Presse an." Wahr sei, dass Lieferanten auf den strengen Regeln beharrten. Von Designermarken produzierte Überhänge aktueller Kollektionen sollen auf diesem Weg diskret vom Markt fließen und andere Einzelhändler nicht beschädigen, erläutert sie. Schustermann & Borenstein selbst sei als Exporteur groß geworden, habe erst nur Mode an eigene Mitarbeiter abgegeben, ehe der Kundenkreis erweitert wurde. "Wir sind ein gewachsenes Netzwerk." Warum es die Industrie bei Überproduktion nicht bei frei und für jedermann zugänglichen Factory-Outlet-Centern belässt, um das Verramschen zu bremsen? Für Factory-Outlets werde gezielt gefertigt, während man selbst nur mit Originalkollektionen arbeite, versichert Kiefer. Was Branchenexperten wiederum relativieren.

Markenartikelherstellern kommen klassische Vertriebswege abhanden, sagt Richter, sie steuerten daher mit neuen eigenen Geschäften oder Designer-Outlet-Centern dagegen. Viele bedienten unterschiedliche Vertriebskanäle vermehrt mit unterschiedlichen Modellen. Das verhindere Vergleichbarkeit und helfe dabei, die Preise in Summe besser stabil zu halten.

Schustermann & Borenstein ist laut der Nachrichtenagentur Reuters seit 2012 zu rund zwei Dritteln im Eigentum des französischen Finanzinvestors Axa Private Equity. Die restlichen Anteile blieben in Familienhand. 2012 soll der Textilhändler fast 200 Millionen Euro umgesetzt haben.

Zeitlich begrenzt

Alles andere als diskret gibt sich ein zweiter junger Vertriebskanal: Pop-up-Stores, die vor allem rund um Weihnachten aus dem Boden schießen. Zeitlich begrenzt, auf gut frequentierten Einkaufsmeilen oder Events bieten Newcomer darin ebenso wie noble Markenhersteller Waren und Dienste feil.

In Zeiten des Onlinehandels, in denen der gestresste Zusteller oft der einzige Kontaktpunkt der Industrie zu ihren Kunden sei, helfen temporäre Läden dabei, Marken zu emotionalisieren, ist Richter überzeugt. Außerdem belebten sie das Einkaufsumfeld.

Kreutzer sieht darin eine Win-win-Situation für Verkäufer wie Vermieter. Gerade junge Händler oder Dienstleister könnten so ohne viel Risiko und mit geringen Fixkosten Testballons starten. Für Vermieter tun sich Möglichkeiten der Zwischennutzung auf.

Andreas Jungblut vertraut darauf, dass der Trend, Handelsflächen kreativ und saisonal zu bespielen, ein langfristiger ist. Mit drei Kollegen hat der junge Niederösterreicher theSalesroom.at gegründet, einen Vermittler zwischen Mieter und Geschäftsinhaber. Genug geeignete Flächen und Nachfrage wären ja da, erzählt er. Jetzt gelte es nur noch, die Skepsis mancher Vermieter zu überwinden. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 13.12.2014)