Ein kleiner Weltenbummler: Nach Sturm Graz, Red Bull Salzburg, Dynamo Moskau und Nijmegen ist der FC Luzern die fünfte Station des Jakob Jantscher. In der Schweiz findet er zu alter Stärke zurück.

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Luzern/Wien - Es ist ein Déjà-vu-Erlebnis. Nach dem Abstieg aus der niederländischen Eredivisie verließ Jakob Jantscher im Sommer den NEC Nijmegen, um mit dem FC Luzern einen vermeintlich sicheren Hafen anzusteuern. Die 17.000 Zuseher fassende und 2011 eröffnete Swissporarena ist nicht das adäquate Ambiente für einen Abstiegskampf. Doch ebendort steckt der 1901 gegründete Traditionsverein. Der FC Luzern überwintert ohne Heimsieg, mit mageren dreizehn Punkten auf dem letzten Tabellenplatz. Hinter Aufsteiger Vaduz, hinter Aarau und Sion. Der 25-jährige Österreicher sieht das Glas halbvoll: "Ich kann meine Erfahrung aus den Niederlanden hier einbringen. Damit hatte ich nicht gerechnet."

Die Misere begann bereits im Juli mit der Qualifikation zur Europa League, dort verlor Luzern gegen den schottischen Vertreter St. Johnstone im Elfmeterschießen. "Diese Niederlage war symptomatisch", sagt der damals verletzte Steirer. Oft sei Luzern die bessere, die spielbestimmende Mannschaft gewesen. Und trotzdem mussten die Mittelschweizer bis zur 14. Meisterschaftsrunde auf den ersten Saisonsieg warten. Geht es am Ufer der Reuss gar mit dem Teufel zu? "Bestimmt nicht. Die spielerischen Qualitäten sind zwar vorhanden, aber in entscheidenden Szenen fehlt die Konzentration." Am Tabellenende sei ein zusätzlicher Druck entstanden, das Team dadurch in eine Abwärtsspirale geraten. Der Trainer musste im Oktober als Erster weichen, Carlos Bernegger wurde durch den ehemaligen deutschen Teamspieler Markus Babbel ersetzt. Sportdirektor Alex Frei schmiss im Dezember hin, ein Nachfolger wird noch gesucht.

Ob Bernegger oder Babbel, Jantscher ist in der Startformation der Blau-Weißen gesetzt. Er rechtfertigt das Vertrauen mit Leistung, vier Tore und sieben Vorlagen stehen in Liga und Cup zu Buche. Der Linksaußen sieht sich gestärkt: "Ich kann wieder konstant mein Potenzial abrufen, das war in den Niederlanden nicht so." Die strategische Ausrichtung der Luzerner komme ihm entgegen, man bevorzuge die spielerische Lösung. Ob es in der jetzigen Situation nicht auch Kampfschweine benötige? "Dafür haben wir gar nicht die Spielertypen. Wir müssen mit unseren Mitteln zum Erfolg finden." Noch sei es nicht notwendig, den Ball nach vorne zu dreschen. "Ich bin überzeugt, dass wir uns im Frühjahr selbst aus dieser Situation befreien können", sagt Jantscher und wünscht sich zu diesem Zweck Ruhe im Verein.

Mit offenem Visier

Im Herbst ist es im Klub wild zugegangen, Konflikte wurden öffentlich ausgetragen. "Das lenkt in der Vorbereitung ab, man wird in der Stadt auf die Zustände angesprochen", sagt Jantscher. Die Fans seien trotz der Ergebnisse nicht ungut, halten dem Verein im sportlichen Elend die Treue und den Schnitt bei über 10.000 Besuchern pro Spiel. Dass die Super League deutlich mehr Zuspruch als die österreichische Bundesliga erfährt, sei nicht nur der moderneren Infrastruktur geschuldet: "Hier wird mit offenem Visier gespielt, das Spektakel steht im Vordergrund." Es gäbe auf beiden Seiten zahlreiche Torchancen, mitunter werden beste Möglichkeiten ausgelassen. "Aus zehn Zentimetern: Unglaublich - Jantscher trifft weder Ball noch Tor!", schrieb das Boulevardblatt Blick , als der Österreicher im August nicht seinen glorreichsten Moment hatte.

In der Schweiz lässt es sich trotz manch böser Schlagzeile gut leben. "Auch meine Frau fühlt sich hier wohl", sagt Jantscher. Das sei nicht unwesentlich. Sein Vertrag läuft bis 2017. Ob er ihn auch erfüllen wird, kann der 16-fache ÖFB-Teamspieler noch nicht sagen, aber "Luzern bleibt nicht meine letzte Station". Zunächst gelte es jedoch, den Abstieg zu verhindern. Um das Déjà-vu-Erlebnis rechtzeitig zu unterbrechen. (Philip Bauer, DER STANDARD, 13./14.12.2014)