Tokio/Wien - Japans Wähler haben Premier Shinzo Abe beim Unterhaus-Votum vom Sonntag vier weitere Jahre zur Umsetzung seines Regierungsprogrammes gegeben. Der Premier hatte die vorgezogenen Neuwahlen nach neuen Wirtschaftsproblemen vor allem zu einem Referendum über seine "Abenomics" gemacht und von den Japanerinnen und Japanern ein neues Mandat gefordert.

Dieses hat der 2012 gewählte Regierungschef laut Hochrechnungen vom Sonntagabend ganz eindeutig erhalten: Wie bisher wird seine Liberaldemokratische Partei LPD allein über eine deutliche absolute Mehrheit im japanischen Unterhaus verfügen. Die Einstellung der Rekordzahl von 300 der 475 Sitze schien die Partei allerdings knapp zu verfehlen.

Trotz Mehrheit wohl Koalition

Dennoch wurde damit gerechnet, dass Abe wieder eine Koalition mit der buddhistisch-konservativen Komeito-Partei eingehen wird. Diese sichert der Regierung eine Zweidrittelmehrheit. So ist es möglich, Beschlüsse des japanischen Oberhauses zu überstimmen. Dort gibt es – jedenfalls bis zu einer Teilneuwahl im Jahr 2016 – keine klaren Mehrheiten.

Tatsächlich hat die oppositionelle Demokratische Partei DPJ laut den Hochrechnungen gegenüber den Wahlen von 2012 leichte Zugewinne verbucht – vor allem auf Kosten anderer Oppositionsparteien. Ihr Chef Banri Kaieda, dem eine wenig charismatische Parteiführung vorgeworfen wird, musste dennoch eine Niederlage hinnehmen. Dem Parteichef der DPJ ist es nicht gelungen, seinen Sitz in der Direktwahl gegen einen LDP-Konkurrenten zurückzuerobern. Trotzdem wollte er als einer der 180 via Listenwahlrecht Gewählten wieder in das Parlament einziehen, schätzen japanische Medien am Sonntagabend.

"Abenomics" dominierten Wahlkampf

Von einem glänzenden Sieg für die Regierungskoalition konnte dennoch nicht die Rede sein: Die nach den Tiefständen von 2012 erneut gesunkene Wahlbeteiligung von nun 52 Prozent schien jenen Beobachtern recht zu geben, die als Grund für den Erfolg eher die scheinbare Alternativlosigkeit der "Abenomics" sahen. Nicht umsonst hatte die LDP "Es gibt keinen anderen Weg zur Wirtschaftserholung" plakatieren lassen. Abe hatte im Wahlkampf versprochen, vorerst auf schmerzliche Einschnitte ins Sozialsystem zu verzichten. Viele Beobachter gehen aber davon aus, dass auch diese im Kampf gegen den Schuldenberg alternativlos sein werden.

Streben nach vergangener Größe

Wegen der Dominanz der Wirtschaftskrise waren im Wahlkampf andere Themen in der Hintergrund getreten. Auch das lag gewiss im Kalkül der LDP: Weder Abes Wunsch nach einer Abkehr von der pazifistischen Nachkriegsverfassung noch die geplante Rückkehr zur Atomkraft sind in der japanischen Bevölkerung ähnlich mehrheitsfähig wie die Wirtschaftspolitik der LDP.

Dennoch wird damit gerechnet, dass Abe sich auch in diesen beiden Feldern bestärkt sehen wird. Schon bisher hatten er und mehrere seiner Minister mit revisionistischen Aussagen zur japanischen Kriegsschuld im Zweiten Weltkrieg und zur sexuellen Versklavung von rund 200.000 großteils koreanischen Frauen vor 1945 für Ärger in den Nachbarstaaten gesorgt. Auch die "Abenomics" sehen Analysten als Teil des Strebens nach alter Größe. Er verspreche, "Japan wieder zu einem Land zu machen, das im Zentrum der Welt erstrahlt", hatte Abe jüngst im Wahlkampf gesagt.

Neustart der Reaktoren

Alles andere als unumstritten ist auch der geplante Neustart zumindest einiger Atommeiler im Land, erstmals seit der Atomkatastrophe von Fukushima im Frühjahr 2011. Zwar ist die Bevölkerung diesbezüglich insgesamt gespalten. Bisher aber haben die Regionalverwaltungen in der Nähe der Atomkraftwerke fast alle Versuche zur Wiederaufnahme des Betriebs verhindert. (mesc, Reuters, AFP, DER STANDARD, 15.12.2014)