Wien - Die Anklageerhebung gegen Julius Meinl V. und vier Vertraute wegen der Auszahlung einer Sonderdividende der Meinl Bank von 225 Millionen Euro an eine Meinl zugerechnete Gesellschaft, der 99,99 Prozent der Bank gehörten, hat unter Juristen heftige Diskussionen ausgelöst. Wie berichtet, hat der Weisenrat im Justizministerium am Freitag die Anklage genehmigt. Der Tatbestand ähnelt jenem der Libro-Affäre, bei der zu Jahresanfang der Oberste Gerichtshof eine Verurteilung zweier Libro-Manager nach einer unberechtigten Sonderdividende an eine 100-Prozent-Mutter wegen Untreue bestätigt hat. Doch dieses Urteil ist unter Strafrechtsexperten höchst umstritten. Helmut Fuchs, Rechtsprofessor an der Universität Wien, hält es dezidiert für falsch, weil Mutter und Tochter als Einheit gesehen werden müssten.

Was Libro 1998 tat, war nach § 52 Aktiengesetz eine verbotene Einlagenrückgewähr; mehr als der Bilanzgewinn wurde ausgeschüttet. Doch wie die auf Wirtschaftsstrafrecht spezialisierte Rechtsanwältin Liane Hirschbrich betont, ist nicht jede solche Ausschüttung strafbar. "Die Strafbestimmungen verlangen durchwegs die Schädigung anderer, also etwa der Bankgläubiger", sagt sie dem STANDARD.

Genau dies behauptet die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage: Die Meinl Bank hätte 2009 nicht ausschütten dürfen, weil sie mit einer Klagswelle von geschädigten Anlegern in Meinl European Land (MEL) rechnen musste. Mit der geschmälerten Eigenkapitalbasis konnte die Bank nicht so viel rückstellen wie notwendig; daher der Untreuevorwurf.

Vorgesorgt

Doch wie Meinl-Anwalt Georg Schima betont, hat Meinl für die damals vorliegenden Klagsdrohungen ausreichend vorgesorgt und bis heute immer genügend Mittel gehabt, um alle Ansprüche zu befriedigen. Dies sei der Unterschied zur Causa Libro, wo die Bilanz, auf der die Sonderdividende basierte, eindeutig falsch war.

Die Tatsache, dass Meinl praktisch an sich selbst ausgeschüttet hat, ist für Schima gar nicht entscheidend; die OGH-Entscheidung zu Libro habe daher keine Präzedenzwirkung.

Außerdem verweist er darauf, dass bei Meinl auch die Mutter der Muttergesellschaft der Dividende zugestimmt hatte - also eine "doppelstöckige Zustimmung". Deren Fehlen hatte der OGH bei Libro moniert.

Auch Hirschbrich zweifelt daher ebenfalls an der Stichhaltigkeit der Anklage. "Wenn die Bank über ausreichende Vermögenswerte verfügt hat, um den Abfluss der Mittel abzufangen, wäre eine Anklage wegen Gewährung einer Sonderdividende verfehlt", sagt sie.

Hirschbrich vermutet, dass die massive Vorverurteilung gegen Julius Meinl in der Öffentlichkeit den Ausschlag zur Anklagegenehmigung gegeben hat. "Es wurde der schwarze Peter einem Schöffengericht zugespielt und das Gesicht der Staatsanwaltschaft gewahrt. Ein Freispruch mangels Beweisen trifft keinen Ankläger", sagt sie. (Eric Frey, DER STANDARD, 15.12.2014)