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Binnenflüchtlinge in einem Camp der Vereinten Nationen in der nördlichen Ölstadt Bentiu. Die UN-Einrichtungen im Südsudan wurden nicht als Flüchtlingscamps konzipiert, sind seit Ausbruch der Kämpfe vor einem Jahr aber zum Zufluchtsort für mehr als 100.000 Menschen geworden.

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Deals oft schiefgegangen: Südsudans Präsident Salva Kiir (li.) und Rivale Riek Machar bei der Unterzeichnung eines Deals im Mai.

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Juba/Wien - Die ersten Meldungen ließen ein eher harmloses Scharmützel vermuten, als am 15. Dezember 2013 über einen gescheiterten Putschversuch gegen Südsudans Präsidenten Salva Kiir berichtet wurde. Die Sache sei beigelegt, man habe die Lage unter Kontrolle - hieß es von der Regierung. Doch wenig später war klar, dass sich der anfangs politische Konflikt zwischen Kiir und seinem früheren Vize Riek Machar verselbstständigt hatte. Auch alte ethnische Konfliktlinien traten wieder ans Tageslicht, nachdem sie in den Jahren zuvor nur notdürftig überdeckt worden waren.

Ein Jahr später sind rund 50.000 Menschen im Bürgerkrieg getötet worden. Mehr als 1,9 Millionen der insgesamt laut Schätzung elf Millionen Einwohner sind auf der Flucht. Ihre Zahl, so Experten, wird in den kommenden Monaten weiter ansteigen. Fast 100.000 Menschen leben noch immer in den UN-Basen, deren Tore die Blauhelme zum Schutz der Zivilbevölkerung geöffnet haben.

Vermittlungsversuche laufen: Jene der ostafrikanischen Regionalgemeinschaft Igad und der Troika aus USA, Großbritannien und Norwegen haben bereits zu mehreren Waffenstillstandsverträgen geführt. Lange gehalten hat allerdings keiner davon. Menschenrechtsorganisationen sprechen vom Einsatz von Kindersoldaten und von Massakern mit ethnischem Hintergrund. Helfer warnen vor Hungersnöten und dem Ausbrechen von Krankheiten.

Ethnischer Konflikt und Polit-Kampf

Dass der Konflikt derart eskalieren konnte - und dass die Lösung nun gar so schwer fällt -, hat mehrere Gründe: Analyst Jason Mosley vom Londoner Chatham House sieht wenig Kompromisswillen, weil beide Seiten weiterhin an den Sieg glauben. Andere Forscher verweisen auf die historisch gewachsenen ethnischen Spannungen im jüngsten Staat der Welt.

Doch schon die Frage, ob es sich wirklich um einen ethnischen Konflikt handelt, ist schwierig: Tatsächlich gehören Kiir und Machar den zwei größten Volksgruppen an: Kiir ist Dinka, Machar Nuer. Tatsächlich befehligen beide Truppen, die gezielt Angehörige der anderen Volksgruppe getötet haben. Tatsächlich gibt es eine Geschichte ethnischer Kämpfe. Und tatsächlich ist nach einem Jahr Krieg der Hass gewachsen.

Allerdings waren nicht Fragen der Ethnie direkte Auslöser des Konflikts, sondern der politische Machtkampf: Präsident Kiir verfolgte an der Spitze der SPLM (Sudan People's Liberation Movement) zunächst sogar die Einbindung früherer Nuer-Rebellen. Erst als er nach der Unabhängigkeit unter politischen Druck geriet, übertrug er Macht an alte Vertraute - die meisten davon Dinka. Das schuf Misstrauen. Seine repressiven Maßnahmen, die sich auch gegen Zivilgesellschaft und Medien richteten, waren allerdings zunächst nicht auf eine Volksgruppe bezogen, sondern auf jegliche Kritik an seiner Regierung.

Sorge vor Stellvertreterkrieg

Die Brüsseler International Crisis Group (ICG) warnte schon im Sommer, dass der Konflikt auch zum Stellvertreterkrieg werden könnte. Denn die Regionalmächte haben recht unterschiedliche Interessen: Der Sudan wirft Kiir vor, gegen Khartum gerichtete Rebellen im Grenzgebiet beider Staaten zu unterstützen. Gleichzeitig profitiert das Land stark von Südsudans Öl - die einzige Pipeline führt noch immer nach Port Sudan. Kiir verdächtigt Khartum, Machars Rebellen Waffen zu liefern - im Gegenzug für dessen Versprechen, bei einem Sieg höhere Öltransportgebühren zu zahlen.

Uganda, Äthiopien und Kenia haben traditionell gute Beziehungen zur SPLM und viel im Land investiert. Sie wollen den Südsudan aber auch in ihre eigenen Pipelinepläne einbeziehen. Ugandas Militär hat offen auf Regierungsseite in den Konflikt eingegriffen.

Immerhin: Die Verhandlungen zwischen Regierung und Rebellen laufen weiter. Überlegt wird, Machar zum Premier unter Präsident Kiir zu machen. Knackpunkt sind aber die Befugnisse, die er in dieser Rolle hätte. Unklar ist, wie die Erzfeinde gemeinsam die Herausforderungen angehen sollten: den Aufbau einer Infrastruktur, einer effizienten Regierung und einer Wirtschaft, die nicht zu fast hundert Prozent von Öl und Hilfen lebt - und des Willens in der traumatisierten Bevölkerung, es noch einmal gemeinsam zu versuchen. (Manuel Escher, DER STANDARD, 15.12.2014)