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In vielen Wintersportorten, hier im Bild Ischgl, gibt es getarnte Freizeitwohnsitze.

Foto: APA/HBF/Minich

Lech am Arlberg – Es riecht nach noch warmen Küchenabfällen. Wellblechwände, alle fünf Meter eine Leuchtröhre, nasser Betonboden. Nur die Golfkarts erinnern daran, dass man sich inmitten eines österreichischen Nobelskiorts befindet. Das Tunnelsystem von Oberlech verbindet die Hotels des hoch gelegenen Ortsteils, wo sich alljährlich die Hautevolee zum Wintersport trifft. Alle Hotels? Fast alle.

Ganz oben, inmitten des Skigebiets, wo nicht einmal die Tunnel mehr hinführen, hat ein Immobilienunternehmer ein Chalet errichtet. "Sieben Suiten mit je einem Schlafzimmer und luxuriösem Wohnbereich samt Ankleide", heißt es in der Beschreibung.

Bundesweites Problem

"Das ist ein Paradebeispiel für das bundesweite Problem", sagt Gregor Hoch, Präsident der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV). "Es ist ein offenes Geheimnis, dass dieses Chalet offenbar in erster Linie für seinen Besitzer und dessen unmittelbare Entourage gebaut wurde. Ich habe dort noch nie Gäste gesehen." Es wäre auch kaum leistbar: Die Exklusivmiete des Anwesens kostet pro Woche kolportierte 275.000 Euro.

Kalte Betten: Der Begriff wurde im Westen Österreichs bereits zum geflügelten Wort. Nachdem eine Widmung auf Freizeitwohnsitz in den exklusiven Destinationen kaum noch zu bekommen ist, macht seit einigen Jahren ein neues Modell Schule: Investoren kaufen einen bestehenden Betrieb oder bauen neu und entwickeln ein Appartementkonzept – in erster Linie für sich selbst und Bekannte, wie Kritiker sagen. Zu Weihnachten, Silvester, Ostern werden die Anlagen bewohnt, dazwischen bleiben die Betten leer.

Der Wert steigt

Der Wert der Immobilie steigt, die betroffenen Gemeinden und Städte leiden. Umso mehr Häuser, desto mehr Gemeindestraßen; der Einzelhandel, der Sportgeräteverleih, die Restaurants machen kein Geschäft durch fehlende Gäste, "und wenn die Besitzer da sind, nehmen sie oft jeden Joghurtbecher selbst mit", sagt Hoch. Kontrolle ist aufwändig und nach derzeitiger Rechtslage kaum möglich.

Lech, Sölden, Ischgl, die Regionen rund um die Kärntner Seen: Der Wunsch nach schmucken Feriendomizilen macht vielen Paradeurlaubsorten zu schaffen – allen voran Kitzbühel. In der Tiroler Bezirkshauptstadt haben rund 8200 Menschen ihren Hauptwohnsitz, mehr als 4800 einen Nebenwohnsitz gemeldet – das entspricht einer Zweitwohnsitzquote von fast sechzig Prozent.

"Kitzbühel überaltert, wird zunehmend unattraktiv, es bahnt sich eine Immobilienblase an", sagt der Gemeinderat Thomas Nothegger von der Liste Junge Unabhängige Kitzbüheler (JUK). Die einstige Nobeldestination werde zur Geisterstadt.

Bilanzverlust zwölf Millionen Euro

Hinzu kommt, dass sich der Rückgang von Hauptwohnsitzen negativ auf das Budget der Tourismusgemeinden auswirkt, da der Finanzausgleich daran gekoppelt ist. "Um die kommunale Infrastruktur und Versorgung zu erhalten, gliedern die Gemeinden Kosten in Gesellschaften aus", sagt Nothegger. In Kitzbühel wurde gerade ein kumulierter Bilanzverlust in einer der ausgelagerten Gesellschaften von rund zwölf Millionen Euro bekannt. "Es häuft sich ein Schuldenberg an, ohne dass es der Steuerzahler weiß."

In Reith im Bezirk Kitzbühel wurde einem neuen Investorenmodell gerade der Riegel vorgeschoben: Richard Hauser, Sohn von Stanglwirt Balthasar Hauser, wollte in seinem Nobelhotel Kitzbühel Country Club Luxussuiten verkaufen und dann vermieten. Zuerst stellte sich die Gemeinde quer, nun hat auch das Landesverwaltungsgericht entschieden, dass er nicht glaubhaft machen kann, keine Verwendung als Freizeitwohnsitz zu beabsichtigen.

Gelöst ist das Problem dadurch nicht. Vor mehr als einem Jahr haben sich einige Bürgermeister als "Arge Bergdorf" zusammengetan und eine Petition an die Landesregierungen geschickt. Sie beklagen "kalte Betten", die "scheinbar unbeschränkte Zahlungsbereitschaft einer internationalen Klientel" und dass die Beweislast für illegale Nutzung bei den Gemeinden liegt. "Politisch getan hat sich seither kaum etwas", sagt Hoch. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 15.12.2014)