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Die Aufregung über HCB in Milchprodukten zeigt auch, wie notwendig eine Diskussion um das Amtsgeheimnis ist.
Inmitten der Aufregung über das Umweltgift Hexachlorbenzol (HCB), das – höchstwahrscheinlich via Blaukalk aus der Firma Donau Chemie im Kärntner Brückl – in Milchprodukte aus dem dortigen Görtschitztal geraten ist, hat sich ein zusätzlicher Streitpunkt aufgetan: einer, der den Umgang österreichischer Behörden mit brisanten Informationen angeht – also das Amtsgeheimnis.
Im vorliegenden Fall war dieser Umgang – um es milde auszudrücken – nicht auf der Höhe der Zeit. Konkret antwortete Alfred Dutzler von der Kärntner Lebensmittelaufsicht auf die Frage, warum er sein Wissen über die erhöhten HCB-Werte nicht veröffentlicht hatte, obwohl er bereits im März von der betroffenen Molkerei über die Probleme informiert worden war: Hätte er Transparenz walten lassen, hätte er sich womöglich strafbar gemacht.
Nur "Privatproben"?
Die erhöhten Werte nämlich, so Dutzler, seien in zwei bei Vertragsbauern der betroffenen Sonnenalm-Molkerei durchgeführten "Privatproben" festgestellt worden. Dies habe die Messergebnisse zu "Amtsgeheimnissen" gemacht. Warum, erklärte er nicht.
Dutzlers Sicht der Dinge bestätigte in der Folge auch der Kärntner Landesveterinär Holger Remer. Die Probenergebnisse vom März seien "kundenspezifisch" und damit "keine Grenzwertüberschreitungen" gewesen, fügte er als Zusatzerklärung bei.
Monatelang passiv
Dementsprechend passiv verhielten sich Dutzler und Remer in der Folge. Bislang sind für den Zeitraum zwischen März und Dezember ihrerseits keine Schritte bekannt geworden, die sie unternommen hätten, um festzustellen, ob der in den Milchproben festgestellte erhöhte HCB-Gehalt auf ein vielleicht allgemeineres Problem hinweisen könnte.
Und auch die ebenfalls bereits im Frühjahr über zu viel HCB in Görtschitztaler Milch und Kalbfleisch orientierte bundesweit zuständige Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages) machte laut derzeitigem Wissensstand nichts Zielführendes. Zwar gab sie die Information an die Kärntner Lebensmitteluntersuchungsanstalt weiter. Doch dort versickerte diese.
Besorgte Frage
Angesichts solch inkompetenten Informations-Handlings stellt sich eine besorgte Frage: Wären Grenzwertüberschreitungen für die beiden Kärntner Behördenvertreter etwa auch unter das Amtsgeheimnis gefallen – und hätte sich die Ages etwa auch auf folgenlose Datenweitergabe beschränkt –, wenn in der Milch erhöhte radioaktive Werte festgestellt worden wären?
Um Informations-GAUs wie jenen um HCB künftig zu verhindern, schlägt Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) nun die Einrichtung einer "zentralen Einheit für Krisenfälle" vor. Die Grünen fordern ein bundesweit einheitliches Anlagerecht, damit Unternehmen wie die als Quelle der HCB-Kontamination verdächtigte Firma künftig bundesweit gleiche Produktionsauflagen bekommen.
Echte Informationsfreiheit nötig
Das ist beides richtig und wichtig, doch es reicht nicht aus. Auch im Behördenumgang mit brisantem Firmenwissen – und im Umgang mit brisantem Behördenwissen überhaupt – muss sich als Lehre aus dem HCB-Skandal dringend etwas ändern. Und zwar tunlichst über die Amtsgeheimnis-Novellierung hinausgehend, die derzeit als Informationsordnungsgesetz in der parlamentarischen Begutachtung ist und laut Kritikern viel zu viele Ausnahme-Tatbestände enthält.
Gegenteil von Transparenz
Die monatelange Verschleppung der Kärntner HCB-Affäre nämlich zeigt: Im Fall der Fälle ist bei Behördenvertretern leider nicht mit Respekt vor dem Menschenrecht auf Information und damit rechtzeitiger Wissensweitergabe an die Bevölkerung zu rechnen – sondern, wenn es schlecht läuft, vielmehr mit vorauseilendem Gehorsam und übertriebener Furcht vor rechtlichen Folgen: dem Gegenteil jeder Transparenz. Das zeigt, wie tief verankert behördliche Geheimniskrämerei in Österreich ist.
Um das zu beenden, braucht es eine klare, Informationsweitergabe ermöglichende (und vielfach gebietende) gesetzliche Regelung sowie viel Überzeugungsarbeit. Barbara Helige, Vorsitzende der Liga für Menschenrechte, hat recht, wenn sie diesbezüglich von einem "Paradigmenwechsel" spricht. (Irene Brickner, derStandard.at, 15.12.2014)