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Was im Krankenstand erlaubt ist, hängt stark von der Art der Krankheit und der Empfehlungen des Arztes ab.

Foto: apa/bo bo

Wien - Ist ein Arbeitnehmer krank, so muss er sich so verhalten, dass seine Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird. Er muss daher allgemein übliche Verhaltensweisen im Krankenstand beachten und vor allem die konkreten ärztlichen Anordnungen befolgen. Kann ein Verstoß gegen diese Gebote den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen, so kann der Arbeitgeber zur Entlassung berechtigt sein. Entscheidend ist freilich, ob dem Arbeitnehmer das objektiv sorgfaltswidrige Verhalten auch subjektiv vorwerfbar ist.

In zwei jüngst vom Obersten Gerichtshof entschiedenen Fällen zeigt sich einmal mehr, wie sehr das im Einzelfall zulässige Verhalten von der Art der Krankheit und den entsprechenden ärztlichen Anweisungen abhängig ist. Gerade bei der stark zunehmenden Zahl psychischer Erkrankungen kann ein auf den ersten Blick fragwürdig anmutendes Verhalten des Dienstnehmers durchaus erlaubt sein.

Besuch eines Rockkonzertes erlaubt

So besuchte etwa ein am Burnout-Syndrom leidender Arbeitnehmer während seines Krankenstands nicht nur ein Rockkonzert, sondern begann darüber hinaus auch eine neue Berufsausbildung als Psychotherapeut. Damit habe er - so der OGH - die im Krankenstand gebotenen Verhaltensweisen nicht ganz offenkundig oder betont verletzt. Ausschlaggebend war, dass der betreuende Arzt die Ausbildung befürwortet hatte und darin eine Chance sah, das Leiden zu lindern.

Angesichts der Symptome zielte das Verhalten des Arbeitnehmers auf die Wiederherstellung seiner Gesundheit ab und war nicht geeignet, seine Genesung zu behindern. Die vom Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung war daher nicht gerechtfertigt (OGH 26.8.2014, 9 ObA 64/14y).

Urlaubsreise sorgfaltswidrig

Zu einem anderen Ergebnis gelangte der OGH im Fall einer Arbeitnehmerin, die am letzten Tag ihres Krankenstands wegen Rachenentzündung eine mehrstündige Urlaubsreise mit dem Auto antrat. Sie war zwar nur Beifahrerin, doch der OGH beurteilte ihr Verhalten als objektiv sorgfaltswidrig: Sie habe sich außerhalb der ihr erlaubten Ausgehzeiten fortbewegt und körperlich nicht geschont. Die mehrstündige Autofahrt war geeignet, den Heilungsprozess zu verzögern und stellte eine grobe Missachtung der üblichen Verhaltensweise bei der vorliegenden Erkrankung dar. Das Verhalten war der Arbeitnehmerin zudem subjektiv vorwerfbar, ihre Entlassung berechtigt (OGH 25.8.2014, 8 ObA 47/14s).

Die Zulässigkeit einer Entlassung hängt im Ergebnis entscheidend von der jeweiligen Krankheit und den ärztlichen Anweisungen ab. Da der Arbeitgeber jedoch kein Recht hat, die konkrete Diagnose eines Arbeitnehmers zu erfahren, bleibt es in der Praxis schwer zu beurteilen, welches Verhalten den Heilungsprozess verzögern und daher eine Entlassung rechtfertigen könnte. (Lisa Kulmer, Thomas Angermair, DER STANDARD, 15.12.2014)