Grobschema des "Salzburger Modells".

Vor knapp fünf Jahren sind die Vertreter der Salzburger Bürgerinitiativen mit der Stadtpolitik in Gespräche über mehr direkte Demokratie eingetreten. Damals glaubte kaum jemand, dass am Ende irgendetwas Substanzielles herauskommen könne. Jahre später sah es dann so aus, als hätten sich die Skeptiker und Spötter getäuscht: Bürgerinitiativen-Urgestein Richard Hörl, Naturschutzbund-Geschäftsführer Hannes Augustin und Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) sind sich inhaltlich so nahe gekommen, dass im Gemeinderat mehrheitlich das "Salzburger Modell der direkten Demokratie" verabschiedet werden konnte. Nur die ÖVP stimmte dagegen. Bürgerinitiativen und die rot-grüne Stadtmehrheit waren in Feierlaune, das Modell fand österreichweit Beachtung.

Verbindliche Abstimmungen

Der beschlossene Entwurf sieht – kurz gefasst – vor, dass Bürgerinitiativen Anträge im Gemeinderat stellen oder auch verbindliche Abstimmungen erzwingen können. Dazu müssen sie über eine genau definierte Anzahl von Unterstützungen verfügen. Das Besondere an dem mehrstufigen Modell: Die Anzahl von Unterstützungen richtet sich nach den für ein Gemeinderatsmandat notwendigen Stimmen beim zuletzt abgehaltenen Wahlgang. Hat jemand genauso viele Unterstützungserklärungen, wie ein Mandat wert ist, kann er einen Antrag im Gemeinderat stellen.

Hat die Initiative das Äquivalent mehrerer Mandate, kann sie sogar verbindliche Abstimmungen erzwingen. Die Rechte von Bürgerinitiativen sind also an die von Gemeinderäten angepasst worden. Ausgenommen sind nur Personalia, Verordnungen und die Finanzen. Einzige Reißleine für die Stadtpolitik: Mit einer Dreiviertelmehrheit kann das Ergebnis einer verbindliche Abstimmung wieder gekippt werden.

Stadtrecht ist Landesgesetz

Das ganze Modell hat jedoch einen Haken: Die rechtliche Implementierung obliegt dem Landtag; das Salzburger Stadtrecht steht in der Landesverfassung. Im Zuge der juristischen Ausformulierung wurde dann klar, dass mit dem "Salzburger Modell" nicht nur die Richtung von Einbahnstraßen oder die Situierung von Kinderspielplätzen potenziell der Bürgermitbestimmung unterliegen. Auch das Stimmverhalten von Stadtpolitikern als Eigentümervertreter in Gesellschaften, die ganz oder teilweise im Stadteigentum stehen, wäre davon betroffen.

Parkgaragengesellschaft und SIG

Beispielsweise bei der von der Parkgaragengesellschaft betriebenen Erweiterung der Mönchsberggarage: Hier könnte der Eigentümervertreter per Volksentscheid zu einem bestimmten Stimmverhalten im Aufsichtsrat gezwungen werden. Und es könnte wohl auch alle Vorhaben der aus der Stadtverwaltung ausgegliederten Salzburger Immobilien Gesellschaft (SIG) treffen. In der SIG sind alle städtischen Liegenschaften zusammengefasst. Die Gesellschaft wurde einst gegründet, um dem Bund Mehrwertsteuer vorzuenthalten. Seit dieses Steuerschlupfloch vom Bund geschlossen wurde, erfüllt sie freilich keinen nachweisbaren Zweck mehr.

Misstrauen der Mächtigen

Eine Mitbestimmung in Gesellschaften, die teilweise oder ganz im Stadteigentum stehen, möchte Schaden aber verhindern. Er argumentiert, dass die Aufgaben und Handlungsoptionen von Aufsichtsräten und Eigentümervertretern im Handelsrecht streng determiniert seien. Diese müssten ihre Handlungen streng am Wohl des Unternehmens orientieren – Verstöße dagegen sind auch mit strafrechtlichen Folgen bedroht.

"Die Mächtigen misstrauen ihrem Volk", haben die "Salzburger Nachrichten" am Wochenende dazu ungewohnt pointiert festgehalten. Derzeit liegt die Sache auf Eis, ein für Mittwoch, 17. Dezember, geplanter Landtagsbeschluss wird nicht zustande kommen. Offiziell wartet die Landespolitik auf eine Willensäußerung der Stadt, im Hintergrund versuchen ÖVP und SPÖ, die Sache weiter zu bremsen.

Rot-Grün, Schwarz-Grün

Besonders brisant ist die Causa für die Grünen. Nicht nur, weil sie im Gemeinderat mehrheitlich – trotz warnender Stimmen aus den eigenen Reihen – auch für die Ausgliederung der städtischen Immobilien in die SIG gestimmt haben, sondern weil ein Aus des "Salzburger Modells" einmal mehr die mangelnde Durchsetzungsfähigkeit der grünen Spitzenfunktionäre aufzeigen würde.

Politisch haben die Grünen in Stadt und Land die direkte Demokratie und damit auch das "Salzburger Modell" auf ihre Fahnen geschrieben. In der Stadt wie im Land sind die Grünen aber auch treue Verbündete der jeweils mächtigeren Großpartei. In der Stadt hat das grüne Spitzenduo Johann Padutsch / Helmut Hüttinger zuletzt sogar bei der umstrittenen Entmachtung von Baustadträtin Barbara Unterkofler (Neos) durch den roten Bürgermeister mitgemacht.

Unbedankte Mehrheitsbeschaffer

Auf Landesebene hingegen koaliert man mit der ÖVP, hier tragen die Grünen (trotz 20 Prozent Wähleranteil) zu großen Teilen und so gut wie widerspruchslos die ÖVP-Politik mit. Zuletzt etwa bei der Wohnbauförderung, wo die Förderobergrenzen so weit angehoben worden sind, dass auch alleinstehende Gutverdiener mit fast 2900 Euro netto monatlich in den Genuss der Landesförderung kommen können. Fällt nun das direktdemokratische Modell oder wird es arg beschnitten, stehen die Grünen politisch mit leeren Händen vor den Bürgerinitiativen – dann hätte sich die teils jahrelang geübte treue Gefolgschaft doch nicht bewährt. (Thomas Neuhold, 15. Dezember 2014, derStandard.at)