Wien - Beachtliche zwölf unterschiedliche Paragrafen sind es, die Lisa-Marie F. vor den Schöffensenat unter Vorsitz von Michaela Röggla-Weisz gebracht haben. Von Diebstahl bis Tierquälerei, von Raub bis Sachbeschädigung spannt sich der Bogen der Vergehen, die der unbescholtenen 18-Jährigen vorgeworfen werden.

Neben ihr sitzt Jasmin Z., 17 Jahre alt und dreifach vorbestraft, die an einem Teil der Taten teilgenommen haben soll. Beispielsweise an den 121 Fällen, in denen das Duo Postkästen aufbrach oder Briefe herausfischte. Die spektakulärste Beute dabei: zwei Karten für ein Rod-Stewart-Konzert.

Konzertkarten, Ventilator und Putzmittel

Auch Einbrüche in Kellerabteile brachten zum Teil eher bedingt verwertbares fremdes Eigentum: Weihnachtsdekoration, Stofftiere, einen Ventilator. Selbst ihre Betreuungseinrichtung, der Verein Oase, war nicht sicher: Einmal brachen Lisa-Marie und Jasmin die Tür zum Dienstzimmer auf und stahlen Medikamente sowie Putz- und Lebensmittel. Beim zweiten Mal durchbrachen sie gar die Wand.

F. gesteht die meisten Punkte. Lediglich diverse Sachbeschädigungen seien in Wahrheit durch die Zweitangeklagte ausgeführt worden, was diese zugibt.

"Können Sie mir erklären, was mit Ihnen los ist?", fragt Röggla-Weisz. "Ich leide an Borderline und meiner Aggressivität", antwortet die Erstangeklagte. Und: "Falsche Freunde in der Oase" habe sie gehabt.

Neuer Freund und eigene Wohnung

In der dreimonatigen Untersuchungshaft habe sie aber mit anderen Häftlingen gesprochen und erkannt, "dass es auch anders geht". Bereits vor ihrer Verhaftung habe sie eine Wohnung bekommen, einen Job als Kellnerin in Aussicht gehabt und einen neuen Freund gefunden, der nichts mit ihrer Vergangenheit zu tun hat.

Der großgewachsene Teenager vermittelt seine Wandlung durchaus glaubhaft, spricht klar und offen. Lediglich die beiden Raubüberfälle streitet F. ab. Beim ersten stellt sich später heraus, dass das mutmaßliche Opfer sich eigentlich nicht mehr erinnern kann. Beim zweiten wird F. vom Opfer entlastet – bei der Polizei hat sie die geplante Tat damals allerdings noch zugegeben.

Dass sie einem Bekannten das geborgte Handy nicht zurückgegeben habe, leugnet sie ebenso. Der sei ein Stalker, sagt die 18-Jährige und will ihn im Saal nicht einmal sehen und hinausgeführt werden.

Eintägige Beziehung

Der 34-Jährige macht als Zeuge tatsächlich einen seltsamen Eindruck, als ihn Röggla-Weisz befragt. "Waren Sie mit ihr zusammen?", will diese wissen. "Kurzfristig", lautet die Antwort. "Wie lange?" – "Einen Tag. Am 5. Jänner."

Zweitangeklagte Z. ist zwar auch geständig, aber deutlich konfuser. Auch sie sei erst durch die falschen Freunde im Verein Oase abgerutscht. Die bisherigen Verurteilungen waren nur bedingt lehrreich.

Zum AMS beispielsweise hat sie es bis heute nicht geschafft. "Warum?", fragt die Vorsitzende. "Weil ich oft mit Freunden unterwegs bin. Und dann kann ich nicht aufstehen." Aber sie sei schon braver geworden.

Haschisch gegen Aggression

Dass sie eine frühere Weisung zu einer Therapie und Bewährungshilfe praktisch ignoriert hat, begründet sie damit, dass ihr die Ärzte nicht zugesagt hätten und sie durch Haschischkonsum lethargisch geworden sei. "Ich brauch das einfach, sonst werde ich aggressiv. Aber ich will von dem Scheiß wegkommen", verspricht sie.

Alexandra Cervinka, Verteidigerin der Erstangeklagten, stellt im Schlussplädoyer eine durchaus berechtigte Frage: "Was macht man mit jemandem, der so viele Punkte zu verantworten hat?" Ihre Antwort: "Sie ist jetzt in einem engmaschigen Betreuungsnetz, das weiter beibehalten werden sollte. Dadurch ist schon eine deutliche Änderung eingetreten, sie ist auch schuldeinsichtig."

Der Schöffensenat sieht das auch so. Das nicht rechtskräftige Urteil beträgt 20 Monate, davon sind die schon in U-Haft verbüßten drei Monate unbedingt. Dazu kommen Weisungen: zur psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung und Bewährungshilfe. "Das Heilmittel ist nicht die Haft, aber Sie müssen sich massiv damit auseinandersetzen", begründet Röggla-Weisz.

Allerletzte Chance

Die dreifach vorbestrafte Z. kommt mit ebenfalls nicht rechtskräftigen 21 Monaten bedingt davon. "Das ist Ihre aller-, aller-, allerletzte Chance", verrät ihr ihre Verteidigerin Christa-Maria Scheimpflug noch. (Michael Möseneder, derStandard.at, 16.12.2014)