Von Tag zu Tag wächst der internationale Druck für eine offizielle Anerkennung Palästinas als Staat. Vor kurzem hat die schwedische Regierung als 135. von 193 Mitgliedern der Vereinten Nationen und als erster EU-Staat Palästina "ohne Vorbedingungen" anerkannt. Im Lauf dieses Jahres hatten schon die Parlamente von Großbritannien, Spanien, Frankreich und Irland ihren Regierungen die Anerkennung empfohlen. Am Mittwoch soll das EU-Parlament eine Resolution zur Anerkennung Palästinas verabschieden.

Eine solche Willenserklärung wäre für die EU-Regierungen nicht bindend. Sie würde in erster Linie Symbolpolitik bedeuten. Es ist durchaus möglich, dass die Absichtserklärung einige Vorbedingungen enthalten wird. Vor allem den Ruf nach Anerkennung des Existenzrechts des Staates Israel durch die palästinensische Seite, einschließlich der Terrororganisation Hamas als Mitglied der Koalitionsregierung.

Unabhängig von der endgültigen Form der Stellungnahme zugunsten einer Zweistaatenlösung wäre es politisch unklug, ja unverantwortlich, die enorme Bedeutung der Symbolik in den internationalen Beziehungen, und erst recht im spannungsgeladenen Nahen Osten, zu übersehen. Wie Richard Herzinger in der "Welt" zu Recht betonte: "In Europa ist man von der Feststellung besessen, nur fehlender israelischer Friedenswille verhindere ein Abkommen mit den Palästinensern und nur durch Druck auf Jerusalem könne der westlichen Lieblingsidee einer Zweistaatenlösung auf die Sprünge geholfen werden. Dabei verschließt man die Augen davor, dass tatsächlich die palästinensische Führung zu ernsthaften Friedensverhandlungen weder willens noch fähig ist."

Darüber hinaus schürt nicht nur die Hamas, sondern auch Präsident Abbas' Fatah religiösen Hass gegen die Juden. Der unverhohlene Judenhass als Motiv für die Ausschreitungen, ja sogar die selektiven Mordanschläge muslimischer Jugendliche sind die Folge vor allem der via Internet verbreiteten, als Israel-Kritik getarnten antisemitischen Propaganda und der ohnmächtigen Wut beim Betrachten von Videos von Kindern und Zivilisten als Opfer des im Web bewusst dämonisierten israelischen Staates.

Die weltweite massive Kampagne gegen den Staat Israel kann man auch von der steigenden Welle des Judenhasses in Ländern mit großem muslimischen Bevölkerungsanteil (Frankreich und England) nicht trennen. Der große Denker Raymond Aron antwortete Präsident De Gaulle 1967 nach Israels Sieg auf dessen berüchtigte Worte, die Juden seien "ein elitäres, selbstbewusstes und herrisches Volk", er bestreite nicht die Tatsache, dass die meisten Juden, auch solche, die den Zionismus ablehnen, "eine besondere Sympathie" für Israel empfinden. Sympathie bedeutet aber nicht Kritiklosigkeit.

Die Spaltung innerhalb der für Israel so lebenswichtigen jüdischen Gemeinde in den USA und die wachsende Kritik auch israelfreundlicher Publizisten an der verblendeten Siedlungspolitik des langjährigen Ministerpräsidenten Netanjahu und an seinen Bruch mit der gemäßigten Linken in seiner Koalitionsregierung tragen auch zur bedenklichen Isolierung des einzigen demokratischen Staates in der Region bei. (Paul Lendvai, DER STANDARD, 16.12.2014)