Der Abschlussbericht der Hypo-Kommission hat dargelegt, dass es sehr wohl Alternativen zur Notverstaatlichung der Hypo Alpe Adria Group gegeben hätte. Diese unbequeme Wahrheit war schon 2008 bekannt. Bereits damals hatte das Austrian Economics Center ein Insolvenzrecht von Gebietskörperschaften, das in Österreich zur Verfassungsbestimmung werden müsste, gefordert.

Licht aus

Die Politik hat mit der Begründung abgelehnt, dass "sonst das Licht in Kärnten ausgehen würde". Diese Verunsicherung der Wähler ist wohl nur mit dem Nobelpreisträger Jim Buchanan und der Public-Choice-Theorie zu erklären: Denn nur mit dem Motiv, wiedergewählt zu werden, können solche Entscheidungen wie im Falle der Hypo (also Verschwendung öffentlicher Gelder dieses Ausmaßes) erklärt werden.

Das scheinen die einzigen Entscheidungsparameter gewesen zu sein, die die handelnden Personen als Grundlage gesehen hatten. Es kann doch nicht ernsthaft der Glaube bestanden haben, dass Kindergärten oder Schulen geschlossen werden müssten, nur weil Kärnten zahlungsunfähig geworden wäre.

Die Ungültigkeit dieses Arguments wurde jetzt durch den Griss-Bericht bestätigt. Auch moralisch ist diese Entscheidung zu hinterfragen: Warum wird der großzügige Umgang mit dem Geld des Steuerzahlers nach wie vor als Wohltat angesehen?

Krida für Politiker

Sollten nicht vielmehr Politiker wie auch Manager unserer Kapitalgesellschaften als Verwalter fremden Geldes gesehen werden und Politiker daher ebenso den Kridabestimmungen unterstellt werden und Gebietskörperschaften den Regeln der Marktbereinigung unterworfen werden? Dies würde massiv zur fiskalischen Hygiene beitragen. Nichts sehen, nichts hören und darüber schweigen, das geht im Falle einer Insolvenz nicht mehr.

Solche Gedankengänge sind der verzweifelte Versuch zu verstehen, weshalb die Entscheidungen rund um die Hypo weder logisch nachvollziehbar noch wirtschaftlich durchdacht waren. Vielleicht steckt hinter vielen Entscheidungsprozessen tatsächlich ein Systemversagen. Der (so gut wie) gescheiterte Verkauf der Hypo-Balkantöchter lässt sich damit aber sicher nicht erklären. Die österreichische Mentalität verlangt, dass die Suche nach den Schuldigen für das Hypo-Milliardengrab fortgesetzt wird, und fordert auch deswegen die Einsetzung eines Hypo-Untersuchungsausschusses. Das ist verständlich und notwendig zu gleich.

Wenn Gemeinden insolvent werden, wird ein Regierungskommissär nach Paragraf 15 EO (Exekutionsordnung) eingesetzt. Insolvenzfähigkeit von Gemeinden besteht in Deutschland schon sehr lange. In Österreich können laut Art. 116 Abs. 2 des BVG Gemeinden als juristische Personen und mit konkursfähigem Vermögen in Konkurs gehen - das ist jenes Vermögen, das nicht für die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben nötig ist. Dies könnte auf Länder, wie es in vielen anderen Staaten möglich ist, ausgedehnt werden: etwa in US-Einzelstaaten unter Nichtauslösungsregime, das signalisiert Bonität. Oder in kanadischen Provinzen: Der Bund haftet nicht für Schulden der Provinzen; unterschiedliche Ratings bestehen.

Disziplinierte Schuldner

Insolvenzmechanismen disziplinieren Schuldner und Gläubiger, sie strukturieren die Verhandlungen und Prozesse und fördern gemeinsame Handlungen.

Insolvente Körperschaften oder Länder werden auf einen nachhaltigen Budgetpfad zurückgeführt, um auch die öffentlichen Aufgaben wahrzunehmen.

Die finanzielle Nachhaltigkeit wieder herzustellen nützt allen Beteiligten.

Erhöhte Transparenz

Gläubigerrechte und Schuldnerverpflichtungen zu definieren erhöht die Transparenz. Durch Insolvenzregelungen wird auch ein erleichterter, neuerlicher Zugang zum Kapitalmarkt ermöglicht. Insolvenzregeln fördern nachhaltig Insolvenzvermeidung.

Selbstverständlich bewegen wir uns in einem diffizilen Spannungsfeld: öffentliches Insolvenzrecht durch Gläubigerschutz einerseits, Gewährleistung der Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen auf der anderen Seite. Trotzdem darf dieses Argument nicht dazu verwendet werden, die Lehren aus Hypo und Kärnten zu verdrängen.

Dabei ist es wichtig, kritische Fragen zu stellen: Welche Aufgaben sind zu erledigen? Was sind die Staats-, was sind die Landesaufgaben? Der Vorteil einer solchen Vorgehensweise liegt klar auf der Hand, wenn man sich diesem Thema rechtzeitig stellt, dies beweist die aktuelle Diskussion der Steuerreform. Stichwort: Ausgabenproblem. (Barbara Kolm, DER STANDARD, 16.12.2014)