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Im Wettlauf um Geschenke sind schon lang keine Rekorde mehr zu reißen. Der Handel tritt gegen Rivalen wie Touristiker, Wirte, Schönheitschirurgen, Glücksspielautomaten und Therapeuten an.

APA / Fohringer

Wien - Es ist Alltägliches wie Winterbekleidung, das sich viele nicht mehr aus ihrem monatlichen Budget heraus leisten können, sagt Elisabeth Mimra, Leiterin der Wiener Sozialmärkte Carla. Sie sieht un- ter den Kunden der Caritas-Läden zunehmend mehr Mindestpensionisten, Alleinerzieher, kinderreiche Familien und Menschen mit Arbeit, aber nur geringem Einkommen. So sehr der Einkauf in Sozialeinrichtungen an gesellschaftlichem Stigma verloren hat, vielen sei der Einkauf dort immer noch unangenehm. "Aber der finanzielle Druck auf sie ist gestiegen."

Weihnachten sorgt nicht nur im klassischen Einzelhandel für rege Frequenz. Die Caritas zählt in ih- ren Geschäften rund um den Jahreswechsel bis zu einem Drittel mehr Kunden als in den übrigen Monaten, und das Publikum ist gemischter denn je, sagt Mimra.

Manch einer lege Wert auf Secondhand-Kleider im Retrolook, andere kauften aus Gründen der Nachhaltigkeit ein. Wobei es ei- nem Textilien aus zweiter Hand zunehmend schwer machten: Die Qualität der Ware sinkt. Um nach Kleidersammlungen an genug Gewand für die Sozialläden zu kommen, müssen immer mehr Säcke durchforstet werden.

Schock für den Handel

"Österreich hat derzeit 407.000 Arbeitslose. Das ist auch für den Einzelhandel ein Schock", ist Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsverbands, überzeugt. 2008 habe der Konsum die Wirtschaft noch durch die Krise getragen. Damit könnte angesichts der steigenden Nervosität vieler Kunden nun jedoch Schluss sein. Verlässlicher Indikator für die Stimmung ist das Weihnachtsgeschäft, und dieses lässt bisher keinen großen Jubel zu - auch wenn es sich nach dem ersten schwachen Einkaufssamstag kontinuierlich steigerte. Für sehr gute Umsätze soll der 8. Dezember gesorgt haben, ist aus dem Handel zu hören. Hohe Frequenz und durchschnittliches Geschäft habe das dritte Adventwochenende gebracht. Dass die Dezemberbilanz letztlich das magere Gesamtjahr rettet, wird in der Branche allerdings bezweifelt.

Marketinglüge

Generell dürfe sich der Handel von Weihnachten keine Rekorde mehr erwarten, meint Wolfgang Richter, Chef des Marktforschers Regioplan. Immer früher - mittlerweile schon lang vor dem Heiligen Abend, starten großflächige Abverkäufe, die das Budget der Konsumenten entlasten, die Erträge der Betriebe aber kräftig drücken. Zudem veränderten sich die Werte, sagt Richter: "Dass etwa alle Frauen ständig neue Schuhe brauchen, ist eine gestreute Marketinglüge." Wie auch die Lebenssituation der Österreicher nicht mehr dem Bild von Vater-Mutter-Kind entspreche. Für viele Singles sei Weihnachten kein großes Thema. Andere investierten ihr Geld statt in traditionelle Präsente lieber in Urlaub, Gastronomie, Schönheitsoperationen, in Glücksspiele oder die Psychotherapie.

Glaubt man Berechnungen des Wifo, kann Österreichs Handel im Dezember auf einen Mehrumsatz von knapp mehr als einer Milliarde Euro bauen. Er sollte knapp höher ausfallen als jener im Vorjahr, wobei Letzterer deutlich hinter jenem aus dem Jahr 2012 zurückblieb. In Wien allein stellt sich der Handel heuer auf ein Minus ein.

Unterm Strich holt sich der Einzelhandel mittlerweile nur noch rund drei Prozent seines Gesamtumsatzes aus dem Weihnachtsgeschäft, erhob Regioplan. In den 50er-Jahren waren es zehn Prozent. Zu beachten ist freilich, sagt Andreas Kreutzer von Kreutzer Fischer & Partner, dass Konsumenten nicht zu Weihnachten weniger kaufen, sondern unter dem Jahr mehr. Damit sei die Relation natürlich eine andere.

Überfordert

Hermine Wallners große Stunde schlägt zumeist erst im Jänner. Seit 18 Jahren arbeitet die Gründerin von MyStyle als Einkaufsberaterin. Ein Service, das viele in Form von Gutscheinen unter dem Christbaum finden. Die Hälfte ih- rer Kunden sind Männer: Zum ei- nen fehle es deren Frauen schlicht an der Zeit, um beratend zu dienen, erzählt sie. Zum anderen gelte es, manch Ehe-Zerwürfnis beim Shoppen als unparteiische Helferin zu verhindern. "Viele sind angesichts des breiten Angebots halt auch einfach überfordert." Weit abseits der Sozialmärkte legt die Kundschaft der Einkaufsberater dann in zwei Stunden nicht selten mehrere tausend Euro ab. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 16.12.2014)