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Mit dem Bericht der Expertenkommission bekommt die Regierung "Entscheidungsmaterial", sagt Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (li.). "Die Auseinandersetzung ist bis Mai zu führen", sagt Kanzler Werner Faymann.

Foto: apa/Schlager

Wien – Die Steuerreform-Expertenkommission hat am Dienstag am Rande des Ministerrats ihren Endbericht an die Regierung übergeben, den diese als Arbeitsgrundlage begrüßt hat. Dabei wurde die Frage diskutiert, ob die Experten denn nun eine Streichung der steuerlichen Überstundenbegünstigung empfohlen haben oder nicht.

Nach der Lesart der SPÖ sollen die steuerlichen Begünstigungen für Überstunden nicht fallen. AK-Direktor Werner Muhm etwa wollte solch eine Empfehlung nicht aus dem Papier herauslesen. Man werde über die verschiedenen Positionen diskutieren. Überhaupt gibt es seiner Darstellung zufolge noch jede Menge Verhandlungsstoff, denn in der Kommission, in der er Mitglied war, habe man sich mit den ÖVP-Vertretern allenfalls auf die Abschaffung von Dienstwagenprivilegien einigen können.

"Geringe Schnittmenge"

Faymann sagte nur: "Wenn man am Beginn einer Verhandlung steht, dann gibt's halt nur eine geringe Schnittmenge, sonst wären wir ja schon fertig. Die Auseinandersetzung ist bis März zu führen." Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) dankte der Kommission für ihre Arbeit. Man werde nun alle Vorschläge analysieren und in die politische Steuerungsgruppe einbringen. Einzelvorschläge wollte er nicht kommentieren.

Lob für die Kommission

Und auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) lobte die Arbeit der Kommission, denn "damit haben wir Entscheidungsmaterial", und das sei wichtig und positiv. Mit einem leichten Job in Sachen Steuern rechnet er für die kommenden Monate wohl nicht, denn: Er orte "eine gewisse Reformdistanz" bei den Österreichern. Kaum liege ein Vorschlag, noch nicht einmal ausformuliert, auf dem Tisch, schon gebe es Protest. Viele hätten den Eindruck, eine Steuerreform "ist eine Geschenkverteilung", doch so einfach sei die Sache nun einmal nicht.

Ein Jahr Regierung

Beim letzten Ministerrat vor Weihnachten hat die Regierung auch Bilanz über ein Jahr Koalition gezogen. Für Mitterlehner – der seine Funktion als Vizekanzler seit dem Spätsommer bekleidet – fällt sie "durchwachsen positiv" aus.

Faymann verwies auf das schwierige wirtschaftliche Umfeld, in dem sich Österreich dennoch "ausgesprochen stabil" präsentiere. Als positive Beispiele der Arbeit der Regierung nannte er Maßnahmen wie jene gegen Lohn- und Sozialdumping, die Breitbandmilliarde oder sozial- und familienpolitische Beschlüsse. So wurde etwa die Familienbeihilfe erhöht und die Kinderbetreuung ausgebaut. Obwohl man "überall den Euro zweimal umdrehen" müsse, investiere man in die "wesentlichen Kernfragen" wie Arbeitsmarktpolitik, Soziales und auch Bildung.

Er wollte sich auch nicht zu sehr auf offene Themen als Konfliktpotenzial für die Regierungszusammenarbeit einlassen. "Wir werden auch die Steuerreform zustande bringen", versicherte er. Genauso wichtig sei ihm aber, dass auch jene Punkte, die man gemeinsam erledigt habe, "etwas gelten".

Mitterlehner: 78 Gesetze beschlossen

Mitterlehner führte ebenfalls die Wirtschaftslage ins Treffen, der zum Trotz die Regierung Versprechungen wie den Ausbau der Kinderbetreuung eingehalten habe. Außerdem habe die Regierung ein Doppelbudget geschafft und sei darangegangen, "mit wirklich kräftigen Schritten" die "Hypo-Problematik aus der Welt zu räumen". Im Forschungs- und Wissenschaftsbereich investiere man ebenfalls. Immerhin habe der Ministerrat heuer 78 Gesetze beschlossen, "das ist durchaus eine Bilanz, die sich aus meiner Sicht sehen lassen kann".

Zuversicht herrsche weiter, dass man die Themen ÖIAG und Bundesheer bis Jahresende ausverhandeln könne. Beide seien "in der Schlussetappe", so Mitterlehner.

Geschenk für Regierung

Als traditionelles Geschenk des Kanzlers an "seine" Regierung gab es heuer ein Buch über den Wiener Kongress, der im kommenden Jahr sein 250-Jahr-Jubiläum feiert. Gegenseitige Geschenke plant die Regierungsspitze offenbar nicht auszutauschen, wie Faymann und Mitterlehner auf eine entsprechende Frage meinten. Allerdings werde man sich bis zum Heiligen Abend wohl noch öfters sehen, und Mitterlehner überlegte kurz, aber nicht ganz ernst gemeint, dass er vielleicht bis dahin noch etwas "basteln" könnte. "Das kann ja noch werden", meinte auch Faymann schmunzelnd.

Die SPÖ musste am Dienstag auch mehrfach dementieren, dass sie intern uneins über Vermögenssteuern sei. Diese Interpretation war ja zuletzt wegen der unterschiedlichen Ansätze von ÖGB und SPÖ bei der Erbschafts- und Vermögensbesteuerung aufgekommen. Sowohl Bundeskanzler und SP-Chef Werner Faymann als auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, AK-Direktor Werner Muhm und Staatssekretärin Sonja Steßl wollten aber keinerlei Diskrepanz erkennen.

Verschiedene Modelle zu Erbschaftssteuern

Das ÖGB-Modell sieht zwar niedrigere Freibeträge, dafür aber auch niedrigere Steuersätze vor als die von der SPÖ vorgeschlagene Variante. Im Gewerkschaftsmodell würden Erbschaften ab 300.000 Euro pro Familienmitglied (bzw. ab 150.000 bei nicht verwandten Personen) mit zwei Prozent besteuert. Die SPÖ schlägt dagegen einen "Lebensfreibetrag" von einer Millionen Euro vor. Übersteigen Erbschaften oder Schenkungen diese Summe binnen 30 Jahren, so würde die darüberliegende Summe mit 25 Prozent besteuert.

Neue Beratungsrunde

Schelling hat unterdessen noch eine Expertenrunde zur Beratung in Budgetfragen gebildet. Unter der Leitung von Thomas Wieser, dem Chef der Arbeitsgruppe der Euro-Finanzminister, sollen sich elf Fachleute bis März Gedanken über die "Herausforderungen einer modernen Budget- und Finanzpolitik" machen. Seinen Auftakt hat der Expertenrat am Mittwoch.

Als Wirtschafts- und Finanzexperten mit dabei sind Werner Gatzer, seit 2005 Staatssekretär im deutschen Finanzministerium, Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller, der frühere IHS-Chef Christian Keuschnigg sowie der deutsche Wirtschaftsforscher Bert Rürup und Daniel Gros vom Brüsseler Center for European Policy Studies. Außerdem dabei: der Genetiker Markus Hengstschläger (Med-Uni Wien) und der Bildungswissenschafter Stefan Hopmann (Uni Wien) sowie Petra Jenner von Microsoft Schweiz und die Wiener Wirtschaftsanwältin Edith Hlawati (Kanzlei CHSH) und Maximilian Schnödl von der US-Firma Accela. (APA, 16.12.2014)