An der "Indie-Revolution" im Medium Games führt 2014 kein Weg vorbei. Nie zuvor gab es eine derartige Flut an hervorragenden Spielen unabhängiger Entwickler. Längst sind diese ihren Kinderschuhen entwachsen: Waren vor einigen Jahren die meisten Indie-Spiele pixelige Retro-Angelegenheiten, können heute manche Titel mühelos mit dem millionenschweren Mainstream mithalten und erobern auch Konsolen und Mobile-Markt.

In einem Jahr voller Indie-Highlights fällt eine Auswahl schwer - hier sind trotzdem zehn besonders gelungene Indie-Spiele des abgelaufenen Jahres.

Foto: The Banner Saga

The Banner Saga (Windows, Mac, Android, iOS 19,99 Euro; PS4 in Vorb.)

Das von skandinavischen Wikingermythen inspirierte Rollenspiel kann es in Atmosphäre, Originalität und düsterer, erwachsener Story mühelos mit finanzstärkeren Konkurrenten aufnehmen. Der tolle Zeichentrickstil lässt "The Banner Saga" zu einem der schönsten Spiele des Jahres werden, der atmosphärische Soundtrack ist vom Feinsten und das taktische Kampfsystem ist grundsolide und herausfordernd. Teil zwei der geplanten Trilogie soll bald folgen.

Foto: The Vanishing of Ethan Carter

The Vanishing of Ethan Carter (Windows, 18,99 Euro; PS4 2015)

Der düstere Mystery-Thriller der polnischen Entwickler ist ein packendes First-Person-Abenteuer, das allein wegen seiner spektakulären Grafik für alle Spieler einen Blick wert ist. Ganz ohne Gegner oder Kämpfe erforschen Spieler auf der Suche nach einem verschwundenen Kind einen verlassenen Ort am Rande eines Staudamms, wo sich einzelne Hinweise und moderat herausfordernde Rätsel zu einer stimmungsvollen und überraschenden Geschichte verbinden. Cleverer und atmosphärischer wurde 2014 selten erzählt.

Foto: This War Of Mine

This War Of Mine (Windows, Mac, Linux, 18,99 Euro)

Die polnischen Entwickler 11 bit Studios haben sich vom Leben im belagerten Sarajewo während der Jugoslawienkriege inspirieren lassen und ein beeindruckend düsteres Spielerlebnis geschaffen, das weniger Spaß macht, als emotional zu beeindrucken. In der Survival-Simulation erleben Spieler den Ausnahmezustand Krieg einmal aus einer ganz anderen Perspektive: Statt mit der Waffe in der Hand an der Front den Helden zu spielen, ist man in "This War of Mine" mit dem Management des bloßen Überlebens als Zivilist in einer vom Krieg fast zerstörten Stadt beschäftigt.

Foto: The Talos Principle

The Talos Principle (Windows, Mac, Linux 35,99 Euro; PS4, Android in Vorbereitung)

Gerade eben erst veröffentlicht, ist der Titel der kroatischen "Serious Sam"-Entwickler für viele ein Anwärter auf das Spiel des Jahres: Der philosophische First-Person-Puzzler erzählt nicht nur souverän und clever eine spannende Science-Fiction-Geschichte, sondern lässt dank seiner Rätsel mit scheinbar simplen Werkzeugen wie Spiegeln und Kisten die Gehirne rauchen. Kaum ein Spiel ist seit dem Kultklassiker "Portal" an dessen Genialität herangekommen; "The Talos Principle" spielt absolut in derselben Liga, setzt aber auf Philosophie statt Komödie. Allerhöchste Empfehlung.

Foto: Divinity Original Sin

Divinity: Original Sin (Windows, Mac 39,99 Euro)

Freunde klassischer Rollenspiele haben neben der crowdfinanzierten Fortsetzung des Science-Fiction-Opas "Wasteland" auch mit dem gelungenen Fantasy-Koloss der belgischen Entwickler Larian ein ausgezeichnetes Jahr hinter sich. "Divinity: Original Sin" wird dank rundenbasierter Kämpfe, wahnwitzig detaillierter Welt, witziger Charaktere und Dialoge sowohl solo als auch im Coop-Modus zu zweit zum epischen Rollenspielerlebnis - für alle, denen die "modernen" Hochglanzrollenspiele zu konsolig sind.

Foto: Kentucky Route Zero

Kentucky Route Zero (Windows, Mac, Linux 22,99 Euro)

Wenn ein "unfertiges" Spiel in einer Bestenliste auftaucht, muss es dafür gute Gründe geben: Drei Akte des auf fünf Episoden angelegten Point’n’Click-Abenteuers "Kentucky Route Zero" sowie drei kostenlose Zwischenteile sind bislang erschienen, und trotz fehlendem Ende lohnt sich schon jetzt der Besuch. Die US-Entwickler überraschen in jeder Szene durch surreale Ideen, poetisch-düstere Handlung und unnachahmliches Gefühl für Stil und Musik. Ein wahres Kunstwerk, das weit von allen Games-Klischees entfernt ist.

Foto: Endless Legend

Endless Legend (Windows, Mac 29,99 Euro)

Fans der "Civilization"-Reihe wissen, was "4X" bedeutet: Die Spielelemente "eXplore, eXpand, eXploit, and eXterminate" stehen bei Strategiespielen für schier endlosen Spielspaß. "Endless Legend" erfreut Freunde des Genres nun mit erstaunlicher Eigenständigkeit und originellen strategischen Nuancen. Vor allem die rundenbasierten Schlachten, in denen das Terrain eine entscheidende Rolle spielt, ergeben ein strategisches Gustostück von großer Spieltiefe und Langzeitmotivation.

Foto: Among the Sleep

Among The Sleep (Windows, Mac, Linux 19,99 Euro)

Die Idee des norwegischen Indie-Studios Krillbite, die Spieler in der Gestalt eines tapsigen Zweijährigen das unheimliche nächtliche Elternhaus erforschen zu lassen, macht "Among The Sleep" zum außergewöhnlichen Horrorerlebnis aus der First-Person-Perspektive. Das clevere erzählerische Experiment setzt aber eher auf atmosphärisches Unbehagen statt auf plakativen Horror - und erzählt dabei auch noch eine Geschichte, die sich erst am Ende, nach kurzen, aber spannenden zwei Stunden zu einem Ganzen fügt.

Foto: Banished

Banished (Windows 18,99 Euro)

"Banished" ist so etwas wie ein Konzentrat des Aufbauspielgenres, verknüpft mit einer gehörigen Portion Überlebenskampf. Aufgabe des Spielers ist es, mitten in der Wildnis ein Dorf zu errichten und dabei Hunger, Kälte sowie Naturkatastrophen zu trotzen. Das Werk eines einzelnen Entwicklers ist wunderschön anzusehen, geradlinig, ausgefeilt, aber zugleich fordernd und motivierend. Kurzum: "Banished" macht alles richtig, was die "Großen" von "SimCity" abwärts falsch gemacht haben.

Foto: NaissancE

NaissanceE (Windows, Mac 14,99 Euro)

Ganz ohne Waffen löst man im First-Person-Exploration-Spiel "NaissanceE" Rätsel mit Licht und Schatten in einer titanischen, monochromen SF-Architektur, die eigens für den außergewöhnlichen Avantgarde-Ambient-Soundtrack errichtet wurde. Wären da nicht einige herausfordernde Sprungpassagen, könnte man das optisch, akustisch und atmosphärisch beeindruckende Spiel als Gesamtkunstwerk an beliebige an moderner Kunst interessierte Zeitgenossen ganz ohne Spielbezug verschenken. Ein Ausnahmespiel.

Nachschlag

Viel fehlt auf einer derartigen Liste - die Wiederkehr des Adventures mit "Broken Age" und "Dreamfall Chapters", die österreichischen Indies "Secrets of Raetikon" und "Schein", die optisch beeindruckenden Titel "Transistor" oder auch "Never Alone", um nur einige wenige zu nennen. Für einen größeren Überblick auf insgesamt über 50 empfehlenswerte Indie-Titel sei auf die monatliche Standard-Serie "Best of Indie" verwiesen. Die wird im Januar fortgesetzt - dann inklusive jener Titel, die im Dezember zu kurz gekommen sind. (Rainer Sigl, derStandard.at, 21.12.2014)