Der Ministerrat hat den Gesetzesentwurf für das Islamgesetz beschlossen. Es ist kaum denkbar, dass im Parlament noch Änderungen vorgenommen werden. Dass dieser Gesetzesentwurf ohne Abstimmung mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) in den Ministerrat geschickt wurde, kennzeichnet eine Veränderung im Umgang des Staates mit Kirchen und Religionsgesellschaften. Zumindest, sofern es keine islamophobe Ausnahme darstellt, die die Beziehung zu anderen anerkannten Religionen unberührt lässt. Was auch möglich ist, betrachtet man etwa das Schweigen der Katholischen Kirche, aber auch die Zustimmung zum Gesetz seitens der christlichen Orthodoxie.

Der Paradigmenwechsel ist aber auch anderer Natur. Nicht zuletzt die vielzähligen Rücktrittsforderungen muslimischer Akteure, die an den Präsidenten der IGGiÖ Fuat Sanaç und den Obersten Rat gerichtet sind. Da wird zum einen anstatt der Hörigkeit gegenüber Religionsführern der Weg des fundamentalen Protestes gegen eine Leitung gewählt, was im islamisch-politischen Denken tendenziell eine Ausnahme darstellt. Die Jungsozialistin Julia Herr mit ihrer Kritik an Bundeskanzler Werner Faymann ist ein Lämmchen gegenüber Dudu Kücükgöl von der Muslimischen Jugend.

Die Tatsache, dass die erste Rücktrittsforderung von einem Vorsitzenden der Religionsgemeinde Linz kommt, der ad hoc von seinem Pendant in Salzburg unterstützt wurde, verdeutlicht aber noch mehr: Beide gehören dem Verband der Islamischen Föderation an, die den IGGiÖ-Präsidenten stellen und auch stützen. Es sind aber nicht alle Vorsitzenden von Islamischen Religionsgemeinschaft, die gleichzeitig der Islamischen Föderation angehören, die diesem Ruf gefolgt sind. Es sind die jüngeren.

Damit wird klar: Die Islamischen Glaubensgemeinschaft steht inmitten eines Generationenkonflikts. Es sind die Jungen, die gegen die Alten aufbegehren. Es sind die Jungen, die sich - trotz ihrer institutionellen Etablierung - trauen, das zu sagen, was viele auf der Basis schon seit Jahren und besonders in den letzten Monaten sagen. "#sanacmussweg" wurde zum Ausdruck dieses Bruchs der Jugend mit den alten Herren.

Gleichzeitig bahnt sich ein weiterer Paradigmenwechsel an. Paradoxerweise wird der Vorreiter eines Popatheismus, Niko Alm, der für die Neos im Nationalrat sitzt, in den Onlinemedien von jungen Muslimen geteilt. Mehrere Gastkommentare und seine deutlichen Worte im Parlament ließen ihn als einsamen Einzelgänger in der Ablehnung des Islamgesetzentwurfes dastehen. Und die jungen Muslime jubeln ihm zu.

Die Islamische Glaubensgemeinschaft und mit ihr eine Reihe an Verbänden sind aber seit Omar al-Rawi durchaus SPÖ-affin, während die wirtschaftstreibenden türkischstämmigen Akteure eher ÖVP-affin sind. In den sozialen Netzwerken bahnt sich bereits Protest an: Die Regierungsparteien seien nicht mehr wählbar, so der Tenor. Das gelte auch für die Grünen, die dem neuen Gesetzesentwurf nicht nur zugejubelt hatten, sondern anfangs sogar weitere Verschärfungen eingefordert hatten. Die Neos - vertreten vom Nudelsieb-Atheisten - als Sinnbild eines Paradigmenwechsels. (Farif Hafez, DER STANDARD, 17.12.2014)