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Am Tag nach der blutigen Geiselnahme von Sydney legten viele Australier Blumen in der Nähe des Tatorts Lindt-Café nieder - darunter auch eine Delegation der islamischen Gemeinde der Stadt.

Foto: EPA / Dean Lewis

Sydney - In das Gedenken an die beiden Opfer der Geiselnahme vom Montag mischte sich am Dienstag in Australien erste Kritik an den Behörden. Zwar beurteilten Experten den Zugriff nach 16 Stunden als weitgehend alternativlos; kontrovers diskutiert wurde allerdings, wieso der Geiselnehmer Man Haron Monis, der Polizei seit Jahren bekannt war, seine Tat trotz zuletzt verschärfter Antiterror-Gesetze überhaupt begehen konnte.

Man müsse sich fragen, wieso jemand mit einer derartigen Geschichte auf freiem Fuß gewesen sei, sagte auch Australiens Premier Tony Abbott zu Journalisten - wohl auch um Kritik an seiner Regierung zuvorzukommen. Immerhin hatte Monis nicht nur beleidigende Briefe an die Familien von gefallenen Soldaten geschrieben: Gegen den früheren selbsternannten "Wunderheiler" liefen auch Verfahren wegen Beihilfe zum Mord an seiner Exfrau und wegen mehr als 40 mutmaßlichen Fällen sexueller Übergriffe seit Beginn der 2000er-Jahre.

Iran will gewarnt haben

Auch der Iran schaltete sich am Dienstag in die Diskussion ein. Von dort war Monis Mitte der 1990er-Jahre nach Australien geflüchtet, später hatte er dort wegen politischer Verfolgung in seinem Heimatland Asyl erhalten. Man habe die australischen Behörden mehrfach vor Monis gewarnt, teilte die Teheraner Polizei in einer Aussendung mit. Monis sei ein Betrüger gewesen - er sei im Iran nicht wegen seiner politischen Ansichten verfolgt worden, sondern weil er eine Reiseagentur und mehrere derer Kunden um ihr Geld betrogen habe.

In Reaktion auf die Tat wurden am Dienstag Gesetzesänderungen diskutiert. Der Gouverneur des Bundesstaates New South Wales, Mike Baird, sagte, er sei entsetzt, "dass dieser Typ frei herumlief". Der Parteikollege von Premier Abbott regte an, die Bestimmungen für Freilassungen von Verdächtigen auf Kaution zu verschärfen.

Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen

Die liberale Zeitung The Age kritisierte hingegen in einem Kommentar die Regierung. Diese habe zwar mithilfe von Terrorwarnungen eine "Belagerungsmentalität" in der australischen Bevölkerung erzeugt; der Einzeltäter Monis sei aber vor lauter Konzentration auf IS und Al-Kaida nicht aufgefallen.

Unterdessen wurden auch neue Details über den Ablauf der Geiselnahme bekannt: Demnach wollte Monis vor allem für Aufmerksamkeit in den Medien sorgen. Für ein live im Fernsehen übertragenes Gespräch mit Abbott habe er die Freilassung von fünf Geiseln angeboten; und für eine Mitteilung der Regierung, dass es sich bei der Geiselnahme um einen Anschlag der Terrormiliz "Islamischer Staat" handle, die Freilassung zweier weiterer Menschen. Dass die Regierung auf keine Forderungen eingegangen sei, habe Monis zunehmend irritiert.

Keine Verhandlungen

Daraufhin habe er die Geiseln gezwungen, bei mehreren Zeitungen anzurufen und in sozialen Medien seine Botschaften zu vermitteln. Die Anrufe blieben weitgehend vergeblich, auf Twitter und Facebook wurden die Mittelungen schnell wieder gelöscht.

Der Zugriff der Polizei war laut Berichten notwendig geworden, nachdem aus dem Café Schüsse zu hören waren. Der Manager des Cafés soll versucht haben, Monis seine Waffe zu entreißen, dieser habe daraufhin begonnen, zu schießen. Der 34-jährige Manager und eine 38-jährige Angestellte wurden dabei getötet, anderen Geiseln gelang die Flucht. (red, DER STANDARD, 17.12.2014)