Elmar Brok protestiert gegen das Vorgehen der türkischen Behörden gegen die Presse.

Foto: Andy Urban

EU-Außenpolitiker Elmar Brok ist ein vielbeschäftigter Mann: Die Union versucht die Regierung der Ukraine von der Notwendigkeit der im Assoziierungsabkommen festgehaltenen Reformen zu überzeugen, das Vorgehen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gegen kritische Journalisten behindert die Beitrittsverhandlungen, und am Mittwoch steht im Europaparlament die Abstimmung über eine Resolution an, in der die Mitgliedsstaaten zur Anerkennung des Staates Palästina aufgefordert werden sollen.

derStandard.at: In der Türkei ist Staatschef Erdoğan erst kürzlich scharf gegen seine Kritiker vorgegangen, wie beurteilen Sie eine solche Entwicklung im Zusammenhang mit den EU-Beitrittsverhandlungen?

Brok: Die Türkei entfernt sich immer weiter von Europa. Wenn man sieht, wie Chefredakteure abgeführt werden und wie hemmungslos die Opposition ausgeschaltet wird ...

derStandard.at: Wie müsste die EU reagieren?

Brok: Ich fürchte, das wird dazu führen, dass wir jetzt nicht in der Lage sind, neue Kapitel für Verhandlungen zu eröffnen. Es wird zunehmend schwieriger, vor allem wenn elementare Rechte der Meinungsfreiheit verletzt werden. Wir müssen sehen, wie wir die Türkei von diesem Weg wegbringen. Die Türkei geht in die falsche Richtung.

derStandard.at: Auch in Bezug auf die Ukraine hat die EU erst kürzlich beklagt, dass sie zu wenige Reformen umsetzen würde, der IWF kritisierte das ebenfalls. Welche konkreten Schritte wären hier notwendig?

Brok: Die neue Regierung ist ja erst seit ein paar Wochen im Amt, teilweise ist das noch ein Prozess in der Entwicklung. Aber es müssen die notwendigen Maßnahmen gegen Korruption erfolgen wie auch die Durchsetzung marktwirtschaftlicher Elemente in der Wirtschaft. Das ist der Transformationsprozess, den auch andere Länder wie Polen durchgemacht haben, die auch im Assoziierungsabkommen drinstehen. Je schneller man das macht, desto schneller kann man auch die notwendigen Ergebnisse sehen und auch die eigene Bevölkerung überzeugen.

derStandard.at: Wo gibt es Schwierigkeiten?

Brok: So einen Reformprozess durchzuführen, wenn Russland in dem Land Krieg führt und ein Teil des Landes besetzt wird, ist nicht leicht. Man muss sehen, dass die russische Destabilierungspolitik natürlich Wirkung hat.

derStandard.at: Halten Sie die EU-Sanktionen gegen Russland für eine angemessene Reaktion?

Brok: Ölpreis und Sanktionen zusammen gehen eine wunderbare Ehe ein, um Leute wieder auf den Weg des internationalen Rechts zu führen.

derStandard.at: Morgen wird im Europaparlament die Abstimmung über die Anerkennung eines Staates Palästina stattfinden. Wie stehen Sie beziehungsweise Ihre Fraktion zu dem Votum?

Brok: Die Europäische Volkspartei findet, dass es keine bedingungslose Anerkennung des Staates Palästina geben sollte, aber wir sehen eine Zwei-Staaten-Lösung, die auch die Anerkennung von Palästina miteinbezieht. Diese sollte aber schrittweise Hand in Hand gehen mit der Entwicklung der Friedensverhandlungen, die allerdings durch erheblichen europäischen Druck vorangetrieben werden muss.

derStandard.at: Ihre Fraktion wird also am Mittwoch gegen die Anerkennung Palästinas stimmen?

Brok: Wir werden nicht zustimmen, ohne Bedingungen zu stellen. Wir sind natürlich dafür, dass es einen selbstständigen Staat Palästina gibt, aber es muss im Rahmen von Verhandlungen passieren.

derStandard.at: Diverse europäische Parlamente haben sich erst kürzlich entschlossen, einen palästinensischen Staat anzuerkennen, wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Brok: Ich glaube, es wäre sinnvoll, dass Europa hier eine einheitliche Position erarbeitet, die von (der EU-Außenbeauftragten Federica) Mogherini erreicht wird. Wenn jeder das einzeln macht, hat das auch keinen Einfluss, denn wir können es auch mit nur einem lebensfähigen Staat Palästina oder nur einem sicheren Staat Israel erreichen.

Wenn wir nicht einen Beitrag zur Sicherheit eines Staates Israel leisten, werden wir nie einen Kompromiss finden. Aber es ist natürlich auch klar, dass solche Verhaltensweisen Israels wie der weitere Ausbau der Siedlungen illegal sind. Es muss eine Zwei-Staaten-Lösung auf der Grundlage der Grenzen von 1967 geben, die natürlich dann verhandelt werden können.

derStandard.at: Wie, glauben Sie, wird die Abstimmung morgen ausgehen?

Brok: Der EVP-Antrag beinhaltet, dass eine Anerkennung als Ergebnis der Friedensverhandlungen folgt, und ich kann mir vorstellen, dass es für eine solche Kompromisslösung eine breite Mehrheit geben wird.

derStandard.at: Erst kürzlich brachte der US-Senatsbericht die Foltermethoden der CIA ans Licht, die weitaus brutaler gewesen sind als bisher angenommen. Im Bericht selbst werden zwar keine EU-Länder konkret genannt, aber der Europarat hatte Polen und Rumänien bereits 2007 vorgeworfen, zwischen 2003 und 2005 CIA-Geheimgefängnisse geduldet zu haben. Muss die Rolle einzelner Mitgliedsstaaten im Folterprogramm der CIA untersucht werden?

Brok: Wir haben bereits einen Untersuchungsausschuss dazu gehabt. Es ist klar, dass dieses Verhalten der Amerikaner illegal war, auf der anderen Seite zeigt es aber auch die Stärke einer Demokratie, denn die Amerikaner räumen selbst damit auf, das amerikanische Parlament macht das öffentlich. Die Dinge, die sie falsch gemacht haben, bringen sie selbst in Ordnung.

derStandard.at: Sie erachten es nicht als notwendig, dass die EU Druck auf Polen, Rumänien oder Litauen ausübt, ihre Verantwortung wahrzunehmen und selbst Untersuchungsausschüsse im eigenen Land einzusetzen?

Brok: Was sollen sie denn national machen? Es ist doch kein Verantwortlicher aus dieser Zeit mehr im Amt.

derStandard.at: Nur weil sie nicht mehr im Amt sind, heißt es nicht, dass sie nicht zur Verantwortung gezogen werden können, oder?

Brok: Nein, aber es ist jetzt offenkundig, diese Länder sollten schon sagen, dass es falsch war, das zu tun. (Noura Maan, derStandard.at, 16.12.2014)