Bild nicht mehr verfügbar.

Frankreichs Präsident François Hollande bei der Einweihung des Pariser Einwanderungsmuseums.

Foto: AP / Yoan Valat

Das Gebäude liegt am südöstlichen Stadtrand von Paris, fernab der Touristenströme. Nur auf dem Spazierweg durch den Stadtwald von Vincennes erhascht man einen Blick auf die imposante Fassade. Sie ist wie eine Skulptur und verkörpert den Zivilisationsanspruch Frankreichs in der Welt - und deshalb heißt das Gebäude auch "Palais de la Porte Dorée", Palast des goldenen Tores.

Weniger glorreich war der Anlass für den Bau: die Kolonialausstellung 1931. Dass Frankreich im 21. Jahrhundert ausgerechnet hier das "Musée de l'histoire de l'immigration" (Museum für die Geschichte der Immigration), ansiedelte, zeugt nicht gerade von Fingerspitzengefühl. Schon die Entstehungsgeschichte des Museums macht klar, wie schwer sich die einstige Kolonialmacht noch heute mit ihrem historischen Erbe tut.

Politische Rücksichten

Die Idee reicht bis in die 1990er Jahre zurück. Die napoleonische Zivilisationsidee der Grande Nation, aber auch etwa ihr Sieg im Ersten Weltkrieg, wäre ohne die Millionen von Zuwanderern undenkbar gewesen, meinen die Initiatoren, in der Mehrheit Historiker und Soziologen. Der rechtsextreme Front National protestierte schon damals dagegen.

Tatsächlich erfolgte der Startschuss erst 2002 unter Präsident Jacques Chirac und seiner damaligen Linksregierung. Nach etlichen Verzögerungen wurde es Ende 2007 endlich eröffnet, doch es fand sich niemand für die Einweihung; der Bau blieb ein "Phantom", wie Le Monde schrieb. Der damalige Präsident Nicolas Sarkozy wollte aus politischen Rücksichten nicht der Immigration gedenken, obwohl er selbst aus einer ungarisch-jüdischen Einwandererfamilie stammt.

Buhrufe und Wurfgeschoße

2009 überwand sich Sarkozy immerhin dazu, seinen Immigrationsminister Eric Besson mit der Einweihung zu betrauen. Dieser wurde aber von Akademikern und Aktivisten an einer, wie sie sagten: "heuchlerischen" Zeremonie gehindert und musste die goldene Pforte unter Buhrufen und Wurfgeschoßen verlassen.

Seither sind fünf Jahre ins Land gezogen. Nach der Wahl von François Hollande 2012 hofften humanitäre Verbände auf einen raschen offiziellen Segen für das vergessene Museum. "Man erwartete von Hollande einen großen Diskurs an die Nation, ein wenig wie es Barack Obama in den USA vormachte", sagt Alain Jakubowicz, Vorsitzender der Liga gegen Rassismus und Antisemitismus.

Doch auch der sozialistische Präsident brauchte zwei Jahre für diesen Schritt. In der Zwischenzeit ist das Thema Migration in ganz Europa noch heißer geworden, und in Frankreich ist der Front National bei EU-Wahl zur stärksten Partei aufgestiegen. Und erst vor wenigen Tagen nannte Sarkozy, als er Chef der UMP wurde, die Immigration eine "Bedrohung unserer Lebensart".

Abgrenzung nach rechts

Vor diesem Hintergrund ist es schon bemerkenswert, dass der Präsident am Montag überhaupt den hochpolitischen Gang zum goldenen Tor wagte, um das Museum endlich einzuweihen. In seiner Wortwahl blieb Hollande allerdings vorsichtig. Er hob die positiven Aspekte der Einwanderung hervor und in bewusster Abgrenzung zu Sarkozy erklärte Hollande, Frankreich könne stolz sein auf seine Tradition einer "terre d'accueil" - eines Landes, das Menschen aufnehme.

Doch das im Wahlkampf 2012 versprochene lokale Ausländerstimmrecht schiebt er weiter vor sich her. Die Revision des Asylgesetzes, das derzeit im Parlament debattiert wird, führt zwar zu rascheren Verfahren; und im Frühling will die Linke die Aufenthaltsbewilligungen von Einwanderern verlängern. Die Zahl der aufgenommenen Flüchtlinge oder Migranten soll aber insgesamt nicht steigen. Alles andere würde bloß dem Front National Auftrieb verleihen, sagen Hollande-Berater ganz ohne Umschweife. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 17.12.2014)