Ganz schön hell hier: Das doppelstöckige Figlmüller-Restaurant am Lugeck in der Wiener Innenstadt.

Gerhard Wasserbauer

Im neuen Lugeck wird das saftige, gut fingerdick plattierte Kalbswiener wie in den anderen Häusern der Figlmüller Gruppe auch in Öl gebacken.

Gerhard Wasserbauer

Es hat länger gedauert als ursprünglich angenommen, ist aber auch ziemlich gut geworden. Monatelang war die prominente Adresse am Lugeck mit hübsch gestalteten Transparenten verhängt, auf denen Familie Figlmüller Vorfreude schürte. "Die Wiener Wirtshauskultur kehrt zurück" war da zu lesen, oder: "Echtes Gold entsteht in Butterschmalz".

Nun kann man sich fragen, welche Art von Falschgold beim Figlmüller bislang auf dem Schnitzelteller zu landen pflegte, das bringt aber nichts: Im neuen Lugeck wird das saftige, gut fingerdick plattierte Kalbswiener nämlich wie in den anderen Häusern der Gruppe auch in Öl gebacken. Es kostet inklusive zuckerlsüßen Erdäpfel-Vogerlsalats aber bloß 19,50 Euro - und damit nur 1,40 Euro mehr als das legendär kartonöse, wisch-und-weg-dünn über den Tellerrand geklopfte Schweinerne vom Stammhaus vis-à-vis. Bloß das groß angekündigte Butterschmalz darf man sich nach wie vor in die Haare schmieren.

Raststättengemütlichkeit

Dennoch ist in dieser von allen guten Wirtshäusern verlassenen Ecke der Innenstadt tatsächlich so etwas wie Wirtshauskultur eingezogen. Das doppelstöckige "Lugeck" kann nämlich allerhand, auch wenn die spektakuläre Geste beim Eingang mit Bierschwemme samt Krügel-Lustern links, offener Küche rechts und ambitioniert geschwungener Freitreppe vor einer Wand aus Emailkacheln im Zentrum hinten nicht weitergezogen wird. Da kommt dank breitarschverträglicher Bestuhlung und großzügig verbautem Hellholz fast so etwas wie Raststättengemütlichkeit auf. Was im Zweifel natürlich nur bedeuten kann, dass unsere weltbesten Raststätten mittlerweile auch ganz gute Wirtshausdarsteller geworden sind.

Die Freude ist spätestens beim ersten Hausbier, einem fabelhaft süffigen, in prächtigen Krügen gezapften Ottakringer, kaum noch zu bremsen: Was die Karten - Getränke wie Speisen - zu bieten haben! Wie gezielt die angeranzte Wiener Wirtshausseligkeit da mit einem Tritt auf die Höhe der Zeit befördert wird! Nicht nur, dass Kellnerinnen und Kellner ausgesucht freundlich, flink und beflissen agieren - was sie zu Tisch bringen, ist außerordentlich.

Zuerst die Getränke: vom hausgemachten Kracherl über das erwähnte Fassbier (für innovationsresistente Ottakringer-Verweigerer wird auch Schremser gezapft) bis zur großartigen Craftbier-Auswahl - richtig stark. Wäre für sich schon eine mächtige Ansage, wird durch die Weinauswahl aber getoppt. Was Fiona Figlmüller da an naturnah angebauten Schätzen von etlichen der spannendsten Winzer des Landes zusammengetragen hat, ohne sich einen Deut um angeblich unverrückbare Vorlieben der ach so strukturkonservativen Gästeschaft zu kümmern, das zeigt nicht nur Mut, sondern auch Klasse. Vergangene Woche war allerdings niemand da, der einem diese speziellen Weine entsprechend empfehlen hätte können.

Genug gemosert

Und die Speisekarte? Es gibt Wirtshausburger, ein knusprig-kümmeliges Wachauer, gefüllt mit Kalbswiener, Grana, Paradeisern und Basilikum-Mayo - geradeaus die beste Art, sich einen Figlmüller-Fetzen reinzuziehen. Es gibt Feuerflecken, die knusprig, blättrig, köstlich aus dem Ofen kommen und um Lichtjahre besser schmecken als die halbgaren Teigpletschen, die einem sonst gern untergeschoben werden. Es gibt aber auch ein saftig gebackenes Bries, das ungeschaut das Beste ist, was an Gebackenem aus einer Figlmüller-Küche kommt.

Es gibt ein Kalbsgulasch mit Nockerln, das mittels Ingwer und Kapern zwar alles andere als regelkonform, dessen ungeachtet aber zum wahrhaft guten Ragout gerät. Wer richtig Geld ausgeben will, dem sei das Schweinsrückensteak vom Noir-de-Bigorre-Schwein empfohlen: Massiveres, größeres Schwein wird er im kommenden Jahr kaum haben. (Severin Corti, Rondo, DER STANDARD, 19.12.2014)