Wien - In der Debatte über die Steuerreform sollten die Regierungsparteien nicht übersehen, dass Gegenfinanzierungsmaßnahmen die erhofften positiven Effekte signifikant abschwächen würden, sagt der Volkswirtschafter Friedrich Schneider von der Universität Linz. Er hält die Vorstellungen von einer Selbstfinanzierung der Reform für fromme Wünsche.

Haben die Leute mehr Geld im Börsel, dann leisten sie sich mehr, und davon profitiert die Gesamtwirtschaft - nach diesem Motto funktionieren die Hoffnungen auf die segensreichen Effekte der Steuerreform. Und auf den ersten Blick sieht es auch ganz danach aus: Schneider geht davon aus, dass die Nachfrage um 3,8 Milliarden Euro steigen würde, wenn das SPÖ-Konzept umgesetzt wird. Bei einer Realisierung der Vorstellungen der ÖVP geht er von einer zusätzlichen Nachfrage von immerhin 2,7 Milliarden Euro aus. Die SPÖ-Ideen würden das BIP um 4,1 Milliarden und die Beschäftigung um 27.700 Personen erhöhen, das ÖVP-Konzept brächte ein BIP-Plus von 2,9 Milliarden und 19.500 Beschäftigte mehr.

Gegenfinanzierung dämpft Konsum

Doch diese Zahlen hielten nur, wenn sich die Regierung aufs reine Steuersenken beschränken würde. Dafür aber fehlt das Geld, und deswegen werden Gegenfinanzierungsmaßnahmen ventiliert. Diese Ideen "mögen verteilungspolitisch gerechtfertigt sein", meint der Experte, doch dürfe man nicht ignorieren, dass "Gegenfinanzierungsmaßnahmen, die den Konsum dämpfen, vom Entlastungsvolumen abgezogen werden müssen", um ein realistischisches Bild der Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte zu erhalten.

"Netto-Entlastung"

Erbschafts-, Schenkungs- und Vermögenssteuern etwa seien gänzlich "konsumwirksam", ebenso Streichungen von Ausnahmen im Steuerrecht; Einsparungen in der Verwaltung oder die Kürzung von Förderungen teilweise. Und so würde laut Schneiders Berechnungen die Netto-Entlastung "beim ÖVP-Modell anstatt 4,1 Milliarden nur noch 2,5 Milliarden und beim SPÖ-Modell statt 6 Milliarden nur noch 3,1 Milliarden" betragen. Dem stellte Schneider die "in Summe 6 bis 8 Milliarden Euro" gegenüber, die seit 2009 via kalter Progression geschwunden seien. Auch das BIP würde bei Berücksichtigung der Gegenfinanzierungsmaßnahmen nur mehr um 2,1 Milliarden Euro (SPÖ) bzw. 1,7 Milliarden (ÖVP) steigen, die Beschäftigtenzahl lediglich um 14.057 (SPÖ) bzw. 11.437 (ÖVP).

Nachhaltig sparen

In Steuereinnahmen gesprochen, würde der Staat zwischen 1,3 Milliarden und 950 Millionen mehr Lohn- und Mehrwehrtsteuer einnehmen, wenn nicht gegengesteuert werden müsste. Inklusive Gegenfinanzierung würden diese Mehreinnahmen nur rund 690 Millionen oder 560 Millionen Euro (wiederum je nach Partei-Modell) betragen.

Alles in allem wären die wohltuenden Effekte einer Steuerentlastung also "deutlich geringer als in einem Szenario ohne Notwendigkeit der Gegenfinanzierung", so Schneiders Fazit. Der Haken: So ein Szenario, nämlich "einfach nur Steuern zu senken", könne sich Österreich einfach nicht leisten. Und eben deshalb "nützt die schönste Steuersenkung nichts", so seine lakonische Schlussfolgerung. Letztendlich bleibe der Regierung nichts anderes übrig, als nachhaltig zu sparen. Schneider sieht dafür einmal mehr Potenzial im riesigen Förderungs-Topf der Republik. (APA, 17.12.2014)